Wie Sprachen Laute benutzen

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K (Unterscheidungsmerkmale: Tabellenformat)
K (Phonemische Prozesse)
 
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{{fehlt|"Töne und Tonakzente" und Beispiele (Bilder) in "Silbenstrukturen"; Phonotaktik (siehe [[Diskussion:Sprachliche Silbenstrukturen]])}}
 
==Funktionalisierung von Lauten: Das Phonem==
 
==Funktionalisierung von Lauten: Das Phonem==
 
Wer sich durch das zugegebenermaßen sehr theorielastige Kapitel "[[Das menschliche Lautinventar]]" gekämpft hat, darf sich freuen. Denn im aktuellen Kapitel wird es konkret. Wir kennen nun all die Möglichkeiten, um Laute zu erzeugen, und wir wissen auch, dass der einzelne Laut von seiner Umgebung beeinflusst wird. Meistens geschieht diese Beeinflussung einfach durch eine physikalisch-sprachökonomische Optimierung und kann auf jede Sprache angewendet werden. Doch was wäre der Mensch, wenn er es dabei belassen würde? Viele dieser Optimierungen werden in den einzelnen Sprachen aufgehoben, andere dazu eingesetzt, Unterschiede in den Bedeutungen herzustellen. Praktisch jede universelle Sprachökonomie kann durch sprachspezifische Regeln aufgehoben werden. Und es geht noch weiter: Unterschiedliche Laute können in einer Sprache zusammengefasst werden und der Sprecher erkennt oft gar nicht, dass es verschiedene Laute sind. Andere Laute werden einfach nicht gehört, weil es sie in der Muttersprache nicht gibt.
 
Wer sich durch das zugegebenermaßen sehr theorielastige Kapitel "[[Das menschliche Lautinventar]]" gekämpft hat, darf sich freuen. Denn im aktuellen Kapitel wird es konkret. Wir kennen nun all die Möglichkeiten, um Laute zu erzeugen, und wir wissen auch, dass der einzelne Laut von seiner Umgebung beeinflusst wird. Meistens geschieht diese Beeinflussung einfach durch eine physikalisch-sprachökonomische Optimierung und kann auf jede Sprache angewendet werden. Doch was wäre der Mensch, wenn er es dabei belassen würde? Viele dieser Optimierungen werden in den einzelnen Sprachen aufgehoben, andere dazu eingesetzt, Unterschiede in den Bedeutungen herzustellen. Praktisch jede universelle Sprachökonomie kann durch sprachspezifische Regeln aufgehoben werden. Und es geht noch weiter: Unterschiedliche Laute können in einer Sprache zusammengefasst werden und der Sprecher erkennt oft gar nicht, dass es verschiedene Laute sind. Andere Laute werden einfach nicht gehört, weil es sie in der Muttersprache nicht gibt.
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===Phonemische Prozesse===
 
===Phonemische Prozesse===
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Neben der Auslautverhärtung gibt es noch andere phonemische Prozesse. Damit sind Veränderungen gemeint, die generell in Sprachen ablaufen können. Die Regeln lassen sich daher in die einzelnen Prozesse eingliedern.
 
Neben der Auslautverhärtung gibt es noch andere phonemische Prozesse. Damit sind Veränderungen gemeint, die generell in Sprachen ablaufen können. Die Regeln lassen sich daher in die einzelnen Prozesse eingliedern.
 
; Angleichung und Entähnlichung:
 
; Angleichung und Entähnlichung:
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===Kopieren===
 
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Wenn du dich lieber an einer irdischen Sprache orientieren willst, kannst du dir die entsprechenden IPA-Tabellen von Sprachen ansehen, deren Klang in die Richtung geht, die du haben möchtest. Eine gute Anlaufstelle hierfür ist die [http://web.uvic.ca/ling/resources/ipa/handbook.htm Seite des IPA-Handbuches]. Es ist zwar gerade bei "exotischen" Sprachen oft nicht so einfach, Phoneme und Regeln zu finden, aber für eine ganze Reihe von Sprachen gibt es bei Wikipedia zumindest ein Phoneminventar und manchmal auch detailliertere Beschreibungen (es lohnt sich oft auch ein Blick auf den englischsprachigen Artikel zu der jeweiligen Sprache). Und falls du keine Regeln findest, kannst du die ja auch nach Gutdünken selbst erstellen. Hör dir Sprachbeispiele an und analysier sie, wie in der Methode "Analysieren" beschrieben. Spiel mit der Sprache, verändere sie.
 
Wenn du dich lieber an einer irdischen Sprache orientieren willst, kannst du dir die entsprechenden IPA-Tabellen von Sprachen ansehen, deren Klang in die Richtung geht, die du haben möchtest. Eine gute Anlaufstelle hierfür ist die [http://web.uvic.ca/ling/resources/ipa/handbook.htm Seite des IPA-Handbuches]. Es ist zwar gerade bei "exotischen" Sprachen oft nicht so einfach, Phoneme und Regeln zu finden, aber für eine ganze Reihe von Sprachen gibt es bei Wikipedia zumindest ein Phoneminventar und manchmal auch detailliertere Beschreibungen (es lohnt sich oft auch ein Blick auf den englischsprachigen Artikel zu der jeweiligen Sprache). Und falls du keine Regeln findest, kannst du die ja auch nach Gutdünken selbst erstellen. Hör dir Sprachbeispiele an und analysier sie, wie in der Methode "Analysieren" beschrieben. Spiel mit der Sprache, verändere sie.
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===Wie stelle ich ein realistisches Lautinventar zusammen?===
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Prinzipiell können erfundene Sprachen ganz einfach all die Laute verwenden, die dem Erfinder gefallen. Wenn du deine Sprache allerdings für eine verhältnismäßig "normale" Welt bastelst - was auch immer das dann genau heißen mag -, dann legst du vielleicht auch Wert darauf, dass die linguistische Landschaft nach irdischen Maßstäben glaubwürdig ist. Hierzu ist es hilfreich, schon bei der Auswahl der Laute ein wenig darauf zu achten, ob sich deine eigene Sprache ähnlich verhält wie echte Sprachen. Letztere sind dabei nämlich meist recht systematisch: Wenn ein artikulatorisches Merkmal, z.B. [+/-sth], an einem Artikulationsort, z.B. an den Lippen (labial), als bedeutungsunterscheidend verwendet wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das gleiche Merkmal auch an anderen Artikulationsorten Unterscheidungskraft besitzt, z.B. am Zahndamm (alveolar) und/oder am weichen Gaumen (velar). Gleichzeitig haben die allermeisten natürlichen Sprachen aber trotz aller Systematik auch die eine oder andere "Lücke" in ihrem Lautinventar; es fehlt also ein Laut, den man anhand der in der Sprache verwendeten Unterscheidungsmerkmale eigentlich erwarten würde. So wird etwa im Deutschen normalerweise eine Unterscheidung der Stimmhaftigkeit für Frikative gemacht (''Feld'' /fɛlt/ vs. ''Welt'' /vɛlt/; ''ließe'' /liːsə/ vs. ''Liese'' /liːzə/), aber das stimmhafte Gegenstück zum ''sch''-Laut kommt nur sehr selten vor, wobei die bedeutungsunterscheidende Kraft zweifelhaft ist (bei ''rasche'' /raʃə/ vs. ''Rage'' /raːʒə/ könnte man problemlos die Länge des vorhergehenden Vokals als den eigentlich entscheidenden Unterschied interpretieren), und ein stimmhaftes Gegenstück zum ''ch''-Laut fehlt völlig.<sup>4</sup> Ein anderes Beispiel wäre das Arabische, das kein /p/ besitzt.
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In der folgenden Liste sind ein paar Statistiken und sprachtypologische Verallgemeinerungen aufgeführt, die einen ersten Eindruck davon verschaffen sollen, wie ein realistisches Lautinventar aussehen könnte. Zu fast allen einzelnen Punkten gibt es auch Ausnahmen und Gegenbeispiele, es gibt jedoch ziemlich sicher keine einzige natürliche Sprache, die in mehr als der Hälfte dieser Punkte außergewöhnlich ist.<sup>5</sup>
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* Die durchschnittliche Zahl der in einer einzelnen Sprache unterschiedenen Konsonanten ist 22. Keine bekannte Sprache unterscheidet weniger als 6 Konsonanten. Die höchste bekannte Konsonantenanzahl liegt in der Größenordnung 120-150 (in der afrikanischen Sprache !Xóõ; die genaue Zahl ist aber umstritten, und außerdem sind gut zwei Drittel dieser Konsonanten keine "normalen" Laute, sondern Klicks). Wenn man Klicks nicht mitzählt, liegt das Maximum bei ungefähr 80 verschiedenen Konsonanten. Deutsch liegt mit etwa 25 Konsonanten knapp über dem Durchschnitt.
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* Die durchschnittliche Zahl der in einer einzelnen Sprache unterschiedenen Vokale liegt zwischen 5 und 6, wobei hier nur die Anzahl der Vokalqualitäten gezählt wurde (Länge, Nasalierung, Töne oder ähnliche zusätzliche Dimensionen wurden also nicht berücksichtigt). Nur eine Handvoll Sprachen kommen mit zwei Vokalen aus, alle anderen haben mindestens drei. Die höchste bekannte Zahl an Vokalqualitäten liegt laut WALS bei 14, Rekordhalter ist das Deutsche! Mit zusätzlichen Dimensionen kommen bis zu etwa 35 kontrastierende Vokale vor, der Durchschnitt liegt aber wahrscheinlich immer noch unter 10.
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* Im Durchschnitt haben Sprachen etwa drei- bis viermal so viele Konsonanten wie Vokalqualitäten, die Verhältnisse reichen von 10:9 bis 58:2. Werden zusätzliche Vokaldimensionen mit einbezogen, gibt es auch ein paar Sprachen, die bis zu doppelt so viele Vokale wie Konsonanten unterscheiden.
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* Etwa 70% aller Sprachen unterscheiden Konsonanten nach dem Merkmal [+/-sth]. Was auch bedeutet, dass etwa 30% dies nicht tun! Wenn das Merkmal unterscheidungsrelevant ist, gilt es fast immer für Plosive, aber nur in etwa der Hälfte der Fälle (auch) für Frikative.
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* Alle Sprachen haben Plosive an mindestens drei verschiedenen Artikulationsstellen. Die Grundlage bilden fast immer /p t k/; Hawaiianisch hat statt dessen /p k ʔ/, einige nordamerikanische Indianersprachen haben /t k ʔ/. Wenn einer der drei grundlegenden Plosive fehlt, ist dies üblicherweise /p/; oft (wie im Arabischen) ist dann allerdings ein stimmhaftes Gegenstück /b/ vorhanden.
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* Alle Sprachen mit mehreren Serien von Plosiven haben eine Serie, die als "stimmlos" bezeichnet werden kann - ob die andere(n) Serie(n) dann stimmhaft (70%), aspiriert (25%), pränasalisiert (12%), ejektiv (15%) oder implosiv (12%) sind, variiert allerdings von Sprache zu Sprache (die Prozentwerte geben die Häufigkeit an, in der dieses Merkmal in den Sprachen der Welt vorkommt).
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* Sprachen mit einer Unterscheidung von Plosiven nach dem Merkmal [+/-asp] besitzen so gut wie immer auch ein Phonem /h/. Eine ähnliche Korrelation ist die, dass in den allermeisten Sprachen mit Ejektiven und/oder Implosiven auch der Glottalverschluss /ʔ/ als eigenes Phonem vorkommt.
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* Fast alle Sprachen haben ein /s/. Bis auf wenige Ausnahmen ist dieser Laut nur in vielen Sprachen der Ureinwohner Australiens und Neuguineas nicht vorhanden (wie übrigens auch alle anderen Frikative); es wird vermutet, dass das mit einer in diesen Bevölkerungsgruppen verbreiteten Ohrenkrankheit zusammenhängt.
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* Frikative an anderen Artikulationsorten sind seltener, als man annehmen würde. Nur sehr wenige Sprachen (darunter Englisch und je nach Zählweise auch Deutsch) unterscheiden mehr verschiedene Frikative als Plosive. Im Gegenteil ist /s/ sogar oft der einzige Frikativ überhaupt; manchmal gibt es auch die Kombination /s/ und /z/. Labiale Frikative kommen nur in etwa 60% aller Sprachen vor, postalveolare Frikative in knapp 45% aller Sprachen, velare Frikative in knapp 30% der Sprachen, und uvulare Frikative in etwa 10% der Sprachen. Dentale Frikative (also die in typischen Fantasy-Namen recht beliebten englischen "th-Laute") sind sogar noch seltener, sie gibt es nur in etwa 7,5% aller Sprachen.
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* Nasale kommen in fast allen Sprachen vor, meistens sowohl /n/ als auch /m/. Der velare Nasal /ŋ/ existiert in etwa 50% der Sprachen (davon bei etwa 20% nur am Silbenende, wie auch im Deutschen). Den palatalen Nasal /ɲ/ (das spanische ''ñ'') findet man in gut 30% aller Sprachen. Es gibt keine bekannte Sprache, in der mehr Nasale als Plosive unterschieden werden.
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* Vokalsysteme haben bei Abbildung im Vokaltrapez der IPA-Tabelle meistens eine "dreieckige" Form, es gibt also in den allermeisten Sprachen jeweils mehr Unterscheidungen bei den geschlossenen Vokalen als bei den offenen. Typischerweise sind dabei die vorderen Vokale ungerundet und die hinteren Vokale gerundet. Das einfachste Beispiel wäre ein System /i a u/ wie z.B. im Quechua, aber auch das spanische /i e a o u/ und das italienische /i e ɛ a ɔ o u/ haben diese Form. Bei Sprachen mit mehr als sieben Vokalqualitäten werden meistens ein oder zwei weitere "Linien" in der Mitte eingefügt, also z.B. vordere gerundete Vokale oder hintere ungerundete. Auch das deutsche System /i ɪ e ɛ y ʏ ø œ a ə ɔ o ʊ u/ (ohne Vokallänge dargestellt) lässt sich daher als Dreieck begreifen.<br> Alternativ kommt in einigen Sprachen auch eine "rechteckige" Form vor, bei der es bei jedem Offenheitsgrad die gleiche Zahl an vorderen und hinteren Vokalen gibt, wie z.B. in der Sprache Chamorro mit /i e æ ɑ o u/.<br> In den meisten Sprachen ist das Vokalsystem relativ symmetrisch. Wenn nicht, dann gibt es fast immer mehr vordere Vokale als hintere. Deutsch ist ein Beispiel hierfür, ein anderes wäre das in nordamerikanischen Indianersprachen weit verbreitete System /i e a o/. Eine der bekanntesten Ausnahmen ist das Mongolische mit /i e a ɔ o ʊ u/.<br> <small>Einen guten Überblick über die Typologie der Vokalsysteme bietet [http://gesc19764.pwp.blueyonder.co.uk/vowels/vowel_systems.html diese Seite (englisch)].</small>
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* Vordere gerundete Vokale wie im Deutschen, Französischen, Türkischen oder Finnischen gibt es nur in weniger als 10% aller Sprachen, die meisten davon in Europa und dem nördlichen Asien. Hintere ungerundete Vokale gibt es laut UPSID mit etwa 13% sogar etwas häufiger, aber meist weniger systematisch, weil oft nur das /u/ eben ungerundet als [ɯ] ausgesprochen wird. Ein Kontrast zwischen gerundeten und ungerundeten hinteren Vokalen kommt nur in knapp 5% der Sprachen vor.
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* Unter den zusätzlichen Vokaldimensionen ist die Länge in etwa 11% aller Sprachen bedeutungsunterscheidend, Nasalierung in etwa 25%, und die Tonhöhe in etwa 45% der Sprachen (davon rund 25% mit nur zwei unterschiedlichen Tönen, die übrigen 20% mit drei oder mehr; die höchste bekannte Zahl an Tonunterscheidungen liegt bei fünf reinen Tonhöhen bzw. neun Tönen insgesamt, wenn man Konturtöne mitzählt). Andere Phonationen (stimmlose Vokale, Hauchstimme, Knarrstimme etc.) sind nur in einzelnen Sprachen bedeutungsunterscheidend, hängen aber manchmal mit dem Tonsystem zusammen (z.B. im Vietnamesischen).
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{{fehlt|weitere Statistiken und Universalien}}
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:<sup>4</sup> Wenn man einmal außer Acht lässt, dass es zum nach hinteren Vokalen gesprochenen "Ach-Laut" [χ] im Standarddeutschen auf phonetischer Ebene durchaus ein stimmhaftes Gegenstück gibt, nämlich das ''r'' geschriebene [ʁ]: ''fluche'' /fluːxə/ [fluːχə] vs. ''Flure'' /fluːrə/ [fluːʁə]. Allerdings verhält sich dieser Laut im Deutschen nicht wie ein Frikativ, und ein stimmhaftes Gegenstück zum "Ich-Laut" [ç] kommt in der Standardsprache tatsächlich nicht vor.
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:<sup>5</sup> Quellen: [http://www.wals.info World Atlas of Language Structures (WALS)], [http://web.phonetik.uni-frankfurt.de/upsid_find.html UPSID Database] sowie [http://typo.uni-konstanz.de/archive The Universals Archive]
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===Phonotaktik===
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{{fehlt|Wie wirkt sich die Verteilung der Laute auf die Ästhetik der Sprache aus?}}

Aktuelle Version vom 16. Dezember 2015, 10:22 Uhr

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