Verb

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Schauen wir uns zunächst einmal an, welche Strategien die verschiedenen Sprachen benutzen, um Ordnung in die ganzen Beziehungen auf Satzebene zu bekommen. Die Variation, auf die wir an diesem Punkt stoßen, ist dabei ganz enorm. Es gibt Sprachen, die markieren beinahe überhaupt nichts am Verb, was Rückschlüsse auf das zugehörige Subjekt zulassen würde. Diese Sprachen regeln die Markierung von Subjekt (und Objekt etc) stattdessen über die Stellung der Wörter im Satz. Vergleichen wir dazu (1) und (2):
 
Schauen wir uns zunächst einmal an, welche Strategien die verschiedenen Sprachen benutzen, um Ordnung in die ganzen Beziehungen auf Satzebene zu bekommen. Die Variation, auf die wir an diesem Punkt stoßen, ist dabei ganz enorm. Es gibt Sprachen, die markieren beinahe überhaupt nichts am Verb, was Rückschlüsse auf das zugehörige Subjekt zulassen würde. Diese Sprachen regeln die Markierung von Subjekt (und Objekt etc) stattdessen über die Stellung der Wörter im Satz. Vergleichen wir dazu (1) und (2):
  
:(1) ''the frogs kiss the boys''
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(1) ''the frogs kiss the boys''
  
:(2) ''the boys kiss the frogs''
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(2) ''the boys kiss the frogs''
  
 
Wie leicht zu erkennen ist, wird am englischen Verb in diesen Situationen rein gar nichts makiert und wir Hörer leiten stattdessen aus der Stellung der Wörter ab, dass in Beispiel (1) die Frösche das Subjekt des Satzes sind, und in (2) die Jungen. Ein anderes Extrembeispiel stellt etwa das Menya dar, eine Sprache aus den Regenwäldern Papua-Neuguineas: Sie notiert nicht nur peinlich genau das Subjekt eines Satzes, sondern in gewissen Kontexten auch das direkte Objekt (also das, was wir im Deutschen als Akkusativobjekt bezeichnen). Schauen wir uns Beispiel (3) an:
 
Wie leicht zu erkennen ist, wird am englischen Verb in diesen Situationen rein gar nichts makiert und wir Hörer leiten stattdessen aus der Stellung der Wörter ab, dass in Beispiel (1) die Frösche das Subjekt des Satzes sind, und in (2) die Jungen. Ein anderes Extrembeispiel stellt etwa das Menya dar, eine Sprache aus den Regenwäldern Papua-Neuguineas: Sie notiert nicht nur peinlich genau das Subjekt eines Satzes, sondern in gewissen Kontexten auch das direkte Objekt (also das, was wir im Deutschen als Akkusativobjekt bezeichnen). Schauen wir uns Beispiel (3) an:
  
(3)
+
(3) ''nyi  eiti    kina  ä-n-tap-k-qäqä=i''
        ''nyi  eiti    kina  ä-n-tap-k-qäqä=i''
+
      1SG  achtzig  Kina  Anhängsel+geben+Anhängsel
        1SG  achtzig  Kina  Anhängsel+geben+Anhängsel
+
      'Er gab mir achtzig Kina'
        'Er gab mir achtzig Kina'
+
 
<div align="right">(Whitehead 2004)</div>
 
<div align="right">(Whitehead 2004)</div>
  
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Fassen wir also noch einmal kurz zusammen: Viele Sprachen verfügen über die Möglichkeit, die Teilnehmer einer Geschehens am Verb anzuzeigen und machen in manchen Kontexten die explizite Nennung dieser Teilnehmer durch andere Wortarten überflüssig. So sagt der Finne etwa den Satz ''ich halte/trage'' wahlweise als Version mit Personalpronomen (4), oder er lässt es weg (5). In beiden Fällen ist jedem anderen Finnen durch die Endung des Verbs sofort klar, dass hier das Subjekt des Satzes in der 1. Person Singular steht.
 
Fassen wir also noch einmal kurz zusammen: Viele Sprachen verfügen über die Möglichkeit, die Teilnehmer einer Geschehens am Verb anzuzeigen und machen in manchen Kontexten die explizite Nennung dieser Teilnehmer durch andere Wortarten überflüssig. So sagt der Finne etwa den Satz ''ich halte/trage'' wahlweise als Version mit Personalpronomen (4), oder er lässt es weg (5). In beiden Fällen ist jedem anderen Finnen durch die Endung des Verbs sofort klar, dass hier das Subjekt des Satzes in der 1. Person Singular steht.
  
(4)
+
(4) ''minä pidä-n''
        ''minä   pidä-n''
+
      1SG   halten-1SG
        1SG halten-1SG
+
  
(5)
+
(5) ''pidä-n''
        ''pidä-n''
+
      halten-1SG
        halten-1SG
+
  
 
Andere Sprachen wie etwa das Menya gehen über diese Markierung hinaus einen Schritt weiter und zeigen sowohl das Subjekt als auch (sofern es eines gibt) das direkte Objekt einer Handlung an. Wiederum andere Sprachen wie das Englische machen so etwas nur noch ganz rudimentär (und zwar ausschließlich in der berüchtigten 3. Person Singular des Präsens – der s-Form).
 
Andere Sprachen wie etwa das Menya gehen über diese Markierung hinaus einen Schritt weiter und zeigen sowohl das Subjekt als auch (sofern es eines gibt) das direkte Objekt einer Handlung an. Wiederum andere Sprachen wie das Englische machen so etwas nur noch ganz rudimentär (und zwar ausschließlich in der berüchtigten 3. Person Singular des Präsens – der s-Form).
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Numerus hingegen ist eine primär nominale Kategorie, die aber oft zusammen mit der Person am Verb auftritt und spezifische Angaben zur Anzahl der jeweiligen Person macht, also z.B. ob wir es mit einem Zuhörer (2.SG) oder mit mehr als einem Zuhörer (2.PL) zu tun haben. Die klassische Opposition innerhalb der Kategorie Numerus ist diejenige zwischen Singular (Einzahl) und Plural (Mehrzahl), ein Konzept, das wir auch im Deutschen kennen. Bevor wir über einige exotischere Fälle von Person und Numerus sprechen, schauen wir uns einmal einige Beispiele an, wie verschiedene Sprachen diese Kategorien am Verb kennzeichnen, und merken uns im Vorfeld, dass Person und Numerus tatsächlich zwei unterschiedliche Arten von Information sind, obwohl sie in den meisten Grammatiken im selben Atemzug genannt werden. Schauen wir uns zunächst mit dem Finnischen eine Sprache an, die ein äußerst regelmäßiges System von Verbalendungen aufweist, mit deren Hilfe wir einwandfrei Person und Numerus unterscheiden können.
 
Numerus hingegen ist eine primär nominale Kategorie, die aber oft zusammen mit der Person am Verb auftritt und spezifische Angaben zur Anzahl der jeweiligen Person macht, also z.B. ob wir es mit einem Zuhörer (2.SG) oder mit mehr als einem Zuhörer (2.PL) zu tun haben. Die klassische Opposition innerhalb der Kategorie Numerus ist diejenige zwischen Singular (Einzahl) und Plural (Mehrzahl), ein Konzept, das wir auch im Deutschen kennen. Bevor wir über einige exotischere Fälle von Person und Numerus sprechen, schauen wir uns einmal einige Beispiele an, wie verschiedene Sprachen diese Kategorien am Verb kennzeichnen, und merken uns im Vorfeld, dass Person und Numerus tatsächlich zwei unterschiedliche Arten von Information sind, obwohl sie in den meisten Grammatiken im selben Atemzug genannt werden. Schauen wir uns zunächst mit dem Finnischen eine Sprache an, die ein äußerst regelmäßiges System von Verbalendungen aufweist, mit deren Hilfe wir einwandfrei Person und Numerus unterscheiden können.
  
(6)  
+
(6) ''osta-n     osta-t     osta-a''
        ''osta-n   osta-t   osta-a
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      ''osta-mme   osta-tte   osta-vat''
        osta-mme osta-tte osta-vat''
+
  
 
In Beispiel (6) seht ihr den Endungssatz im Präsens mit den Endungen ''-n'' (1.SG), ''-t'' (2.SG.), ''-a'' (3.SG), ''-mme'' (1.PL), ''-tte'' (2.PL) und ''-vat'' (3.PL) für das Verb ''osta-'' kaufen. Das finnische System ist absolut symmetrisch und hält für jede Kombination aus Werten der Kategorien Person (1-2-3) und Numerus (Singular-Plural) eine spezielle Endung bereit. Ein solches Musterbeispiel an Symmetrie finden wir längst nicht in allen Sprachen. Als Beispiel mag ein Blick auf unsere französischen Nachbarn genügen, die etwas wie (7) herausgebildet haben.
 
In Beispiel (6) seht ihr den Endungssatz im Präsens mit den Endungen ''-n'' (1.SG), ''-t'' (2.SG.), ''-a'' (3.SG), ''-mme'' (1.PL), ''-tte'' (2.PL) und ''-vat'' (3.PL) für das Verb ''osta-'' kaufen. Das finnische System ist absolut symmetrisch und hält für jede Kombination aus Werten der Kategorien Person (1-2-3) und Numerus (Singular-Plural) eine spezielle Endung bereit. Ein solches Musterbeispiel an Symmetrie finden wir längst nicht in allen Sprachen. Als Beispiel mag ein Blick auf unsere französischen Nachbarn genügen, die etwas wie (7) herausgebildet haben.
  
(7)
+
(7) ''parl-e''  (parl-Ø)   ''parl-es'' (parl-Ø)   ''parl-e''  (parl-Ø)
          ''parl-e (parl-Ø) parl-es (parl-Ø) parl-e (parl-Ø)
+
      ''parl-ons''            ''parl-ez''            ''parl-ent'' (parl-Ø)
          parl-ons         parl-ez           parl-ent (parl-Ø)''
+
  
 
Zwar kennen auch sie die Unterscheidung der drei Personen und der beiden Numeri, jedoch besteht die Opposition im gesprochenen Französisch nur (noch) im Plural. Ich habe die akustisch tatsächlich realisierte Form in Klammern dahinter gesetzt, um zu verdeutlichen, dass sich alle drei Formen im Singular gleich anhören und somit nicht distinktiv sind (das gaukelt uns nur die Schriftsprache vor – das skandinavische Ø bedeutet hier übrigens, dass dem Verb ein Nullsegment respektive kein Segment angefügt wird). So wie das Französische besitzen viele andere indogermanische Sprachen ein Person-Numerus-System, das nur in Teilen operiert (wie hier etwa nur im Plural). Wiederum andere Sprachen drücken nur eine von beiden Kategorien am Verb aus (was schon ziemlich exotisch für europäische Verhältnisse ist).
 
Zwar kennen auch sie die Unterscheidung der drei Personen und der beiden Numeri, jedoch besteht die Opposition im gesprochenen Französisch nur (noch) im Plural. Ich habe die akustisch tatsächlich realisierte Form in Klammern dahinter gesetzt, um zu verdeutlichen, dass sich alle drei Formen im Singular gleich anhören und somit nicht distinktiv sind (das gaukelt uns nur die Schriftsprache vor – das skandinavische Ø bedeutet hier übrigens, dass dem Verb ein Nullsegment respektive kein Segment angefügt wird). So wie das Französische besitzen viele andere indogermanische Sprachen ein Person-Numerus-System, das nur in Teilen operiert (wie hier etwa nur im Plural). Wiederum andere Sprachen drücken nur eine von beiden Kategorien am Verb aus (was schon ziemlich exotisch für europäische Verhältnisse ist).

Aktuelle Version vom 23. Juli 2013, 10:37 Uhr

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