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Verb
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__FORCETOC__ ==Das Verb== Nachdem wir unsere ersten Substantive erstellt haben, juckt es uns natürlich in den Fingern, gleich ein paar Verben hinterher zu basteln. Bevor wir aber wild drauf loslegen, sollten wir uns zunächst einmal klarmachen, worauf wir achten müssen. Das Verb ist nämlich nicht irgendeine Wortart, sondern DIE Wortart schlechthin. Auf Artikel, Adjektive und Adverben können Sprachen getrost verzichten (und viele dieser Konzepte stattdessen verbal ausdrücken), eine Sprache ohne Verben ist allerdings nur schwer vorstellbar (Ausnahmen bestätigen die Regel und können an anderer Stelle diskutiert werden). Das Verb stellt man sich am besten als zentrale Schaltstelle eines Satzes vor: Hier laufen sämtliche Informationen zusammen, die der Hörer zum Verständnis der Äußerung benötigt. Das Verb verrät uns, wie das Subjekt des Satzes aussieht (Wie viele Personen handeln?) und wie der Sprecher zu der mitgeteilten Information steht (Hat die Handlung schon stattgefunden? Hält der Sprecher es für wahrscheinlich/glaubhaft, dass sie durchgeführt wird?). Diese Beispiele deuten die Möglichkeiten, die wir besitzen, um das Verb mit Informationen zu verknüpfen, nur sachte an. Natürlich kodiert nicht jede Sprache die gleichen Informationstypen am Verb, und keine Sprache der Welt würde ALLE Möglichkeiten am Verb kennzeichnen, das würde das Verb zu einer allzu großen und informationstechnisch überladenen Einheit machen. Variation unter den Sprachen entsteht im Gegensatz gerade dadurch, dass jede Sprache eine ihr ganz eigene Kombination von Informationen am Verb vermerkt. So gibt es etwa Sprachen wie das Deutsche, die am Verb kodieren, zu welchem Zeitpunkt eine Handlung stattgefunden hat. Andere Sprachen wie das Türkische dagegen können am Verb markieren, ob sie der Aussage positiv gegenüberstehen, oder ob sie an ihrem Wahrheitsgehalt zweifeln (etwa, weil sie die fragliche Neuigkeit von einem Bekannten erfahren haben). Wir sollten uns also nun überlegen, welche Informationen wir an den Verben unserer Sprache markieren wollen. Bevor wir aber damit beginnen, möchte ich euch auf einen kleinen Rundgang durch die irdischen Sprachen mitnehmen, damit ihr ein Gefühl dafür bekommt, was möglich ist und welche Informationen typischerweise an Verben vermerkt werden. Das ist besonders hilfreich, wenn ihr eine möglichst natürliche Sprache basteln wollt (wenn euch das nicht schert, wird es auch aber trotzdem als kleines Kaleidoskop der Möglichkeiten weiterhelfen). Eine kleine Vorbemerkung muss jedoch noch gemacht werden, damit wir anfangen können: Das, was ich bis hierhin als Informationstypen bezeichnet habe, wird in der Sprachwissenschaft meistens "Kategorien", genauer: '''Verbalkategorien''' genannt. Tempus und Aspekt wären also nach dieser Definition Kategorien, Unterscheidungen wie Präteritum oder Futur dagegen einzelne Werte der Kategorie Tempus. Nachfolgend gehe ich mit euch verschiedene Kategorien durch, die üblicherweise am Verb markiert werden. Dabei können wir alle Kategorien grob in zwei Arten aufteilen: Einmal gibt es Kategorien, die dafür sorgen, dass wir Hörer wissen, wie das Subjekt des Satzes aussieht (diese Kategorien sorgen also primär dafür, dass wir die Struktur des Satzes verstehen). In der englischsprachigen Fachwelt werden solche Markierungen im Satz als ''agreement'' bezeichnet. Die anderen Kategorien machen dagegen speziellere Aussagen über die Art der Handlung, ihre zeitliche Einordnung, die Haltung des Sprechers ihr gegenüber etc. Aber der Reihe nach! ===Aussagen über das Subjekt=== Schauen wir uns zunächst einmal an, welche Strategien die verschiedenen Sprachen benutzen, um Ordnung in die ganzen Beziehungen auf Satzebene zu bekommen. Die Variation, auf die wir an diesem Punkt stoßen, ist dabei ganz enorm. Es gibt Sprachen, die markieren beinahe überhaupt nichts am Verb, was Rückschlüsse auf das zugehörige Subjekt zulassen würde. Diese Sprachen regeln die Markierung von Subjekt (und Objekt etc) stattdessen über die Stellung der Wörter im Satz. Vergleichen wir dazu (1) und (2): (1) ''the frogs kiss the boys'' (2) ''the boys kiss the frogs'' Wie leicht zu erkennen ist, wird am englischen Verb in diesen Situationen rein gar nichts makiert und wir Hörer leiten stattdessen aus der Stellung der Wörter ab, dass in Beispiel (1) die Frösche das Subjekt des Satzes sind, und in (2) die Jungen. Ein anderes Extrembeispiel stellt etwa das Menya dar, eine Sprache aus den Regenwäldern Papua-Neuguineas: Sie notiert nicht nur peinlich genau das Subjekt eines Satzes, sondern in gewissen Kontexten auch das direkte Objekt (also das, was wir im Deutschen als Akkusativobjekt bezeichnen). Schauen wir uns Beispiel (3) an: (3) ''nyi eiti kina ä-n-tap-k-qäqä=i'' 1SG achtzig Kina Anhängsel+geben+Anhängsel 'Er gab mir achtzig Kina' <div align="right">(Whitehead 2004)</div> Das letzte Wort mit den verschiedenen Einzelteilen ist das Verb. Die Verbalwurzel ist in diesem Beispiel -tap- ‚geben‘, die von mehreren Präfixen und Suffixen umrahmt wird. Von diesen Affixen hat das Präfix –n- die Bedeutung ‚1Sg.Objekt‘ und das Suffix –qäqä- die Bedeutung ‚3Sg.Subjekt‘ (die anderen Affixe sollen uns hier nicht weiter interessieren). Im Menya verrät uns das Verb also bereits, mit welchen Teilnehmern einer Handlung wir zu rechnen haben. Denjenigen unter euch, die darauf aus sind, möglichst realistische Sprachen nach irdischem Vorbild zu entwerfen, sei hier eine kurze Vorhersage mit auf den Weg gegeben: Irdische Sprachen, die das direkte Objekt am Verb markieren, tendieren in sehr vielen Fällen dazu, auch das Subjekt des Satzes zu markieren. Rein statistisch gesehen werden in über 50% der irdischen Sprachen sowohl Subjekt als auch Objekt am Verb markiert und in 21% der Fälle weder Subjekt noch Objekt. Besonders selten sind Sprachen, in denen nur das Objekt am Verb markiert wird (~6%). Dies nur als kleine Richtlinie, damit ihr feststellen könnt, wie exotisch eure Sprache demnach wird ;-) Fassen wir also noch einmal kurz zusammen: Viele Sprachen verfügen über die Möglichkeit, die Teilnehmer einer Geschehens am Verb anzuzeigen und machen in manchen Kontexten die explizite Nennung dieser Teilnehmer durch andere Wortarten überflüssig. So sagt der Finne etwa den Satz ''ich halte/trage'' wahlweise als Version mit Personalpronomen (4), oder er lässt es weg (5). In beiden Fällen ist jedem anderen Finnen durch die Endung des Verbs sofort klar, dass hier das Subjekt des Satzes in der 1. Person Singular steht. (4) ''minä pidä-n'' 1SG halten-1SG (5) ''pidä-n'' halten-1SG Andere Sprachen wie etwa das Menya gehen über diese Markierung hinaus einen Schritt weiter und zeigen sowohl das Subjekt als auch (sofern es eines gibt) das direkte Objekt einer Handlung an. Wiederum andere Sprachen wie das Englische machen so etwas nur noch ganz rudimentär (und zwar ausschließlich in der berüchtigten 3. Person Singular des Präsens – der s-Form). Für eure eigenen Sprachen könnt ihr an dieser Stelle also frei wählen, was die Struktur angeht. Auf die statistische Verteilung habe ich euch ja bereits hingewiesen, andere strukturelle Wahrscheinlichkeiten, die sich aus dem jeweiligen Verbalsystem ergeben können, liegen eher auf allgemeiner Ebene und sollten an anderer Stelle diskutiert werden. Abschließend soll hier der Hinweis genügen, dass Sprachen, die diese Markierungsstrategien nicht besitzen, vermutlich über ein mehr oder weniger ausgebautes System von Pronomina verfügen, mit deren Hilfe sie die Partizipienten der Handlung bezeichnen. Doch schauen wir uns jetzt einmal genauer an, mit welchen Kategorien wir welche Informationen über das Subjekt/Objekt eines Satzes ausdrücken können. ====Person und Numerus==== Die bekanntesten Kategorien, die uns dabei helfen, den Satz zu strukturieren und die Partizipanten der Verbalhandlung kenntlich zu machen, sind Person und Numerus, die in den meisten uns näher bekannten Sprachen zusammen markiert werden (dazu gleich einige Beispiele). Als Person wird das altbekannte Konzept bezeichnet, zwischen verschiedenen Partizipanten zu unterscheiden, indem man die Person des Sprechers (1. Person) von der des Hörers (2. Person) und von allen anderen (oft nicht anwesenden) Personen (3. Person) unterscheidet. Soweit dürfte uns das alles sehr bekannt vorkommen, was daran liegt, dass unsere indogermanischen Sprachen zum großen Teil Person am Verb markieren. Numerus hingegen ist eine primär nominale Kategorie, die aber oft zusammen mit der Person am Verb auftritt und spezifische Angaben zur Anzahl der jeweiligen Person macht, also z.B. ob wir es mit einem Zuhörer (2.SG) oder mit mehr als einem Zuhörer (2.PL) zu tun haben. Die klassische Opposition innerhalb der Kategorie Numerus ist diejenige zwischen Singular (Einzahl) und Plural (Mehrzahl), ein Konzept, das wir auch im Deutschen kennen. Bevor wir über einige exotischere Fälle von Person und Numerus sprechen, schauen wir uns einmal einige Beispiele an, wie verschiedene Sprachen diese Kategorien am Verb kennzeichnen, und merken uns im Vorfeld, dass Person und Numerus tatsächlich zwei unterschiedliche Arten von Information sind, obwohl sie in den meisten Grammatiken im selben Atemzug genannt werden. Schauen wir uns zunächst mit dem Finnischen eine Sprache an, die ein äußerst regelmäßiges System von Verbalendungen aufweist, mit deren Hilfe wir einwandfrei Person und Numerus unterscheiden können. (6) ''osta-n osta-t osta-a'' ''osta-mme osta-tte osta-vat'' In Beispiel (6) seht ihr den Endungssatz im Präsens mit den Endungen ''-n'' (1.SG), ''-t'' (2.SG.), ''-a'' (3.SG), ''-mme'' (1.PL), ''-tte'' (2.PL) und ''-vat'' (3.PL) für das Verb ''osta-'' kaufen. Das finnische System ist absolut symmetrisch und hält für jede Kombination aus Werten der Kategorien Person (1-2-3) und Numerus (Singular-Plural) eine spezielle Endung bereit. Ein solches Musterbeispiel an Symmetrie finden wir längst nicht in allen Sprachen. Als Beispiel mag ein Blick auf unsere französischen Nachbarn genügen, die etwas wie (7) herausgebildet haben. (7) ''parl-e'' (parl-Ø) ''parl-es'' (parl-Ø) ''parl-e'' (parl-Ø) ''parl-ons'' ''parl-ez'' ''parl-ent'' (parl-Ø) Zwar kennen auch sie die Unterscheidung der drei Personen und der beiden Numeri, jedoch besteht die Opposition im gesprochenen Französisch nur (noch) im Plural. Ich habe die akustisch tatsächlich realisierte Form in Klammern dahinter gesetzt, um zu verdeutlichen, dass sich alle drei Formen im Singular gleich anhören und somit nicht distinktiv sind (das gaukelt uns nur die Schriftsprache vor – das skandinavische Ø bedeutet hier übrigens, dass dem Verb ein Nullsegment respektive kein Segment angefügt wird). So wie das Französische besitzen viele andere indogermanische Sprachen ein Person-Numerus-System, das nur in Teilen operiert (wie hier etwa nur im Plural). Wiederum andere Sprachen drücken nur eine von beiden Kategorien am Verb aus (was schon ziemlich exotisch für europäische Verhältnisse ist).
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