Thematische Rollen

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K (Valenzalternation)
 
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Durch die Phrasenstrukturen haben wir einen Eindruck davon bekommen, wie Sprachen an ihrer Oberfläche aufgebaut sind. Dabei sind wir aber immer allgemein von den Nominalphrasen ausgegangen und haben hingenommen, ohne es weiter auszuführen, dass diese Phrasen an bestimmten Stellen im Strukturbaum stehen. Bei der Kongruenz haben wir auch schon die grammatischen Funktionen Subjekt und Objekt kennen gelernt. Das funktioniert für alle indo-germanische Sprachen wunderbar, aber es gibt auch andere Sprachen, bei denen wir uns mit Subjekt und Objekt leicht verheddern können. Baskisch ist da ein gutes Beispiel, oder Yupik (eine Eskimosprache):
 
Durch die Phrasenstrukturen haben wir einen Eindruck davon bekommen, wie Sprachen an ihrer Oberfläche aufgebaut sind. Dabei sind wir aber immer allgemein von den Nominalphrasen ausgegangen und haben hingenommen, ohne es weiter auszuführen, dass diese Phrasen an bestimmten Stellen im Strukturbaum stehen. Bei der Kongruenz haben wir auch schon die grammatischen Funktionen Subjekt und Objekt kennen gelernt. Das funktioniert für alle indo-germanische Sprachen wunderbar, aber es gibt auch andere Sprachen, bei denen wir uns mit Subjekt und Objekt leicht verheddern können. Baskisch ist da ein gutes Beispiel, oder Yupik (eine Eskimosprache):
 
  ''Angute-m qunsgiq    neraa.''
 
  ''Angute-m qunsgiq    neraa.''
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== Valenz und Transitivität ==
 
== Valenz und Transitivität ==
 
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(1) <div style="border:1px solid #AAAAAA; background-color:#F0F0F0; padding:1em 1em 1em; margin: 1em 1em 1em">
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Die Schildkröte und das Krokodil beschlossen eines Tages, schwimmen zu gehen.
Die Schildkröte und das Krokodil beschlossen eines Tages, schwimmen zu gehen.
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In obigem Satz gibt es – genau – mehr als nur ein Verb. Drei Stück genau genommen. Die Kunst liegt nun darin, Wortart und Satzglied voneinander zu unterscheiden. Die Wortart eines Wortes bezeichnet seine generelle Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse von Wörtern, hier nun eben die der Verben. Das Satzglied bezeichnet dagegen keine generelle Zugehörigkeit, sondern eine situative Funktion eines Wortes. Eines unser drei Verben oben fungiert in diesem speziellen Satz als Prädikat, die anderen nicht. Stellt euch den Unterschied am besten als den zwischen Rasse und Klasse im Rollenspiel vor. Ein Verbling ist ein Verbling qua Geburt und daran wird sich sein liebes langes Leben nichts ändern. Ob er aber nun sein Lohn und Brot als Subjektor oder Prädikator verdient, ist abhängig von seiner aktuellen Lebenslage und kann sich durchaus ändern. Zwar gibt es nun – um den absurden Vergleich noch weiter zu spannen – auch beim Rollenspiel Rassen, die bestimmte Klassen kaum ausfüllen können, doch ab und an wird auch ein Elf zum Minenarbeiter oder ein Ork zum gerechten Krieger des Lichts. Ebenso sagt man im Bereich der Sprachen, dass Substantive selten als Prädikate fungieren und Verben selten als Subjekte, aber auch das gibt es durchaus. Was lernen wir daraus also? Rollenspielen funktioniert wie Linguistik, Verblinge sind schlechte Subjektoren, und Wortart und Satzglied sind zwei Konzepte, die unbedingt unterschieden werden müssen.
 
In obigem Satz gibt es – genau – mehr als nur ein Verb. Drei Stück genau genommen. Die Kunst liegt nun darin, Wortart und Satzglied voneinander zu unterscheiden. Die Wortart eines Wortes bezeichnet seine generelle Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse von Wörtern, hier nun eben die der Verben. Das Satzglied bezeichnet dagegen keine generelle Zugehörigkeit, sondern eine situative Funktion eines Wortes. Eines unser drei Verben oben fungiert in diesem speziellen Satz als Prädikat, die anderen nicht. Stellt euch den Unterschied am besten als den zwischen Rasse und Klasse im Rollenspiel vor. Ein Verbling ist ein Verbling qua Geburt und daran wird sich sein liebes langes Leben nichts ändern. Ob er aber nun sein Lohn und Brot als Subjektor oder Prädikator verdient, ist abhängig von seiner aktuellen Lebenslage und kann sich durchaus ändern. Zwar gibt es nun – um den absurden Vergleich noch weiter zu spannen – auch beim Rollenspiel Rassen, die bestimmte Klassen kaum ausfüllen können, doch ab und an wird auch ein Elf zum Minenarbeiter oder ein Ork zum gerechten Krieger des Lichts. Ebenso sagt man im Bereich der Sprachen, dass Substantive selten als Prädikate fungieren und Verben selten als Subjekte, aber auch das gibt es durchaus. Was lernen wir daraus also? Rollenspielen funktioniert wie Linguistik, Verblinge sind schlechte Subjektoren, und Wortart und Satzglied sind zwei Konzepte, die unbedingt unterschieden werden müssen.
  
Nachdem dies nun geklärt ist, schauen wir uns nochmal den unglaublich geistreichen Beispielsatz an. Unser Prädikatsverb ist hier natürlich ''beschlossen'', und im Gegensatz zu den beiden Infinitiven ''schwimmen'' und ''gehen'' wird es hier flektiert, d.h. es wird durch bestimmte grammatische Prozesse in seiner Form verändert und mit zusätzlichen grammatischen Bedeutungen ausgestattet (z.B. zeigt uns der sog. Ablaut im Vokalismus des Verbs, dass es sich um ein vergangenes Ereignis handelt). Ist das Zufall, dass sich gerade unser Prädikatsverb beugen muss? Nein! Es ist im Gegenteil zentraler Bestandteil seines Wesens als Prädikat, dass es flektiert wird. In jedem Satz sollte es nämlich nur ein flektiertes Verb geben (Ausnahmen finden sich unter [[Serielle Verben]]), und dieses flektierte Verb wird nicht nur finites Verb genannt, sondern ist auch unser gesuchtes Prädikat.
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Nachdem dies nun geklärt ist, schauen wir uns nochmal den unglaublich geistreichen Beispielsatz an. Unser Prädikatsverb ist hier natürlich ''beschlossen'', und im Gegensatz zu den beiden Infinitiven ''schwimmen'' und ''gehen'' wird es hier flektiert, d.h. es wird durch bestimmte grammatische Prozesse in seiner Form verändert und mit zusätzlichen grammatischen Bedeutungen ausgestattet (z.B. zeigt uns der sog. Ablaut im Vokalismus des Verbs, dass es sich um ein vergangenes Ereignis handelt). Ist das Zufall, dass sich gerade unser Prädikatsverb beugen muss? Nein, im Gegenteil! Es ist zentraler Bestandteil seines Wesens als Prädikat, dass es flektiert wird. In jedem Satz sollte es nämlich nur ein flektiertes Verb geben (Ausnahmen finden sich unter [[Serielle Verben]]), und dieses flektierte Verb wird nicht nur finites Verb genannt, sondern ist auch unser gesuchtes Prädikat.
  
 
===Die Wertigkeit von Verben===
 
===Die Wertigkeit von Verben===
  
Kommen wir noch einmal zurück zu unserer eingangs gemachten These, im Prädikat sei ein Bauplan für den restlichen Satz versteckt. Nun, glaub mir, es stimmt wirklich! Wie, siehst du jetzt nicht? Schau dir mal folgende Sätze an:
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Kommen wir noch einmal zurück zu unserer These, im Prädikat sei ein Bauplan für den restlichen Satz versteckt. Schau dir mal folgende Sätze an:
  
(2) <div style="border:1px solid #AAAAAA; background-color:#F0F0F0; padding:1em 1em 1em; margin: 1em 1em 1em">
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Das Krokodil schläft.
Das Krokodil schläft.<br>
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Das Krokodil schläft die Schildkröte.
Das Krokodil schläft die Schildkröte.<br>
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Das Krokodil schläft der Schildkröte einen Traum.
Das Krokodil schläft der Schildkröte einen Traum.<br>
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Das Krokodil vermacht der Schildkröte ein rotes Schlauchboot.
Das Krokodil vermacht der Schildkröte ein rotes Schlauchboot.<br>
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Das Krokodil vermacht der Schildkröte.
Das Krokodil vermacht der Schildkröte.<br>
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Das Krokodil vermacht ein rotes Schlauchboot.
Das Krokodil vermacht ein rotes Schlauchboot.<br>
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Das Krokodil vermacht.
Das Krokodil vermacht.<br>
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Die Schildkröte bemalt das Krokodil.
Die Schildkröte bemalt das Krokodil.<br>
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Die Schildkröte bemalt.
Die Schildkröte bemalt.<br>
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Die Schildkröte bemalt das Krokodil einen Pinsel.
Die Schildkröte bemalt das Krokodil einen Pinsel.<br>
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Wie du sicher festgestellt hast, habe ich die Prädikatsverben jeweils unverändert gelassen, aber die anderen Bestandteile des Satzes variieren. Offenbar können wir nicht beliebig Elemente hinzufügen oder weglassen, ohne dass unser Satz komisch (und damit grammatisch falsch) wird. Das Spannende an der Sache ist aber nicht, dass Sprache augenscheinlich kein chaotisches System ist und mit einer Reihe von versteckten Regeln daherkommt, sondern dass sich unsere Prädikate hier nicht gleich verhalten: ''schlafen'' kann ich nur mit einem weiteren Element verbinden, nämlich dem Schläfer, ''bemalen'' dagegen muss ich mit zwei Elementen kombinieren, dem Bemaler und dem Bemalten. Lasse ich eins weg, hört sich der Satz falsch an. Noch erstaunlicher ist hingegen ''vermachen''. Um daraus einen Satz zu basteln, brauche ich auf meiner Einkaufsliste mindestens einen Vermacher und ein Vermachtes, besser noch einen Vermacher, ein Vermachtes und einen glücklichen Bedachten (wer hätte nicht gern ein rotes Schlauchboot?!). Drei Elemente können wir bei den anderen beiden Verben wiederum nicht verwenden.
 
Wie du sicher festgestellt hast, habe ich die Prädikatsverben jeweils unverändert gelassen, aber die anderen Bestandteile des Satzes variieren. Offenbar können wir nicht beliebig Elemente hinzufügen oder weglassen, ohne dass unser Satz komisch (und damit grammatisch falsch) wird. Das Spannende an der Sache ist aber nicht, dass Sprache augenscheinlich kein chaotisches System ist und mit einer Reihe von versteckten Regeln daherkommt, sondern dass sich unsere Prädikate hier nicht gleich verhalten: ''schlafen'' kann ich nur mit einem weiteren Element verbinden, nämlich dem Schläfer, ''bemalen'' dagegen muss ich mit zwei Elementen kombinieren, dem Bemaler und dem Bemalten. Lasse ich eins weg, hört sich der Satz falsch an. Noch erstaunlicher ist hingegen ''vermachen''. Um daraus einen Satz zu basteln, brauche ich auf meiner Einkaufsliste mindestens einen Vermacher und ein Vermachtes, besser noch einen Vermacher, ein Vermachtes und einen glücklichen Bedachten (wer hätte nicht gern ein rotes Schlauchboot?!). Drei Elemente können wir bei den anderen beiden Verben wiederum nicht verwenden.
  
Ihr erratet schon, worauf diese Varianz hinausläuft. Jep, der Bauplan ist schuld. Linguisten stellen sich die Sache etwa so vor: Jedes Verb, das wir lernen und in unserem kognitiven Sprachzentrum abspeichern, besteht nicht nur aus einer phonologischen Form und einer Bedeutung, sondern wir lernen auch eine Art Schablone für jedes Verb mit. Wenn ich ''vermachen'' als Prädikat verwenden will, sagt mir die Verbschablone: Ja, is joot, kannste machen, aber du musst einen Vermacher, etwas Vermachtes und am besten auch noch einen Nutznießer benennen. Machste dat aber nich, dann kannste den Satz vergessen. Ja, so Verbschablonen sind nicht gerade die galantesten Dinger unterm Sternenhimmel, aber immerhin wissen wir nun, wie wir unseren Satz zu konstruieren haben. Umgekehrt weiß ich etwa für ''schlafen'', dass ich einen Schläfer brauche, mich aber lächerlich mache, wenn ich dazu noch einen Geschlafenen (oder Beschlafenen?) benenne. Das, was ich bisher als Element bezeichnet habe, nennt man im Fachjargon ein '''Argument'''. Argumente benennen die Kernpartizipanten eines Satzes. Linguisten sprechen im Fall von ''schlafen'', ''rülpsen'', ''fliegen'', oder ''regnen'' von 1-wertigen Verben, da wir nur ein Argument benötigen, um aus diesen Verben einen funktionstüchtigen Satz zu konstruieren. Witterungsverben wie ''regnen'' sind im Deutschen ein wenig speziell, da sie ausschließlich mit einem bestimmten Argument, mit ''es'', konstruiert werden können, aber wir werten auch das ''es'' als Argument. Die Wertigkeit des Verbs also ist es, die bestimmt, welche und wieviele Argumente im Satz vorkommen. ''Bemalen'', ''lieben'', ''verlassen'', ''kastrieren'' und viele andere schöne Tätigkeiten sind 2-wertig, und einige wenige Verben wie ''geben'', ''stellen'', ''beschuldigen'' sind sogar 3-wertig.
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Ihr erratet schon, worauf diese Varianz hinausläuft: der Bauplan ist schuld. Linguisten stellen sich die Sache etwa so vor: Jedes Verb, das wir lernen und in unserem kognitiven Sprachzentrum abspeichern, besteht nicht nur aus einer phonologischen Form und einer Bedeutung, sondern wir lernen auch eine Art Schablone für jedes Verb mit. Wenn ich ''vermachen'' als Prädikat verwenden will, sagt mir die Verbschablone: Ja, is joot, kannste machen, aber du musst einen Vermacher, etwas Vermachtes und am besten auch noch einen Nutznießer benennen. Machste dat aber nich, dann kannste den Satz vergessen. Ja, so Verbschablonen sind nicht gerade die galantesten Dinger unterm Sternenhimmel, aber immerhin wissen wir nun, wie wir unseren Satz zu konstruieren haben. Umgekehrt weiß ich etwa für ''schlafen'', dass ich einen Schläfer brauche, mich aber lächerlich mache, wenn ich dazu noch einen Geschlafenen (oder Beschlafenen?) benenne. Das, was ich bisher als Element bezeichnet habe, nennt man im Fachjargon ein '''Argument'''. Argumente benennen die Kernpartizipanten eines Satzes. Linguisten sprechen im Fall von ''schlafen'', ''rülpsen'', ''fliegen'', oder ''regnen'' von 1-wertigen Verben, da wir nur ein Argument benötigen, um aus diesen Verben einen funktionstüchtigen Satz zu konstruieren. Witterungsverben wie ''regnen'' sind im Deutschen ein wenig speziell, da sie ausschließlich mit einem bestimmten Argument, mit ''es'', konstruiert werden können, aber wir werten auch das ''es'' als Argument. Die Wertigkeit des Verbs also ist es, die bestimmt, welche und wieviele Argumente im Satz vorkommen. ''Bemalen'', ''lieben'', ''verlassen'', ''kastrieren'' und viele andere schöne Tätigkeiten sind 2-wertig, und einige wenige Verben wie ''geben'', ''stellen'', ''beschuldigen'' sind sogar 3-wertig.
  
Übrigens kann für das Deutsche und andere europäische Sprachen die Regel aufgestellt werden, dass das erste Argument stets das Subjekt sein muss. Subjektlose Verben gibt es nicht. 1-wertige Verben verlangen daher stets ein Subjekt. Bleibt neben dem Subjekt ein weiteres Argument übrig (2-wertige Verben), ist es das sogenannte direkte Objekt. Gibt es daneben noch ein drittes Argument (3-wertige Verben), ist es das indirekte Objekt (obwohl es von seiner Position her betrachtet im Deutschen normalerweise näher beim Verb steht als das direkte Objekt). Man erkennt es zumindest im Deutschen daran, dass es im Dativ steht (doch Vorsicht bei einigen 2-wertigen Verben, deren direktes Objekt ebenfalls im Dativ steht). Bei drei realisierten Argumenten ist das Dativargument im Deutschen stets das indirekte Objekt.
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Übrigens kann für das Deutsche und andere europäische Sprachen die Regel aufgestellt werden, dass das erste Argument stets im Nominativ stehen muss. Verben ohne Nominativ-Argument gibt es im Deutschen kaum (im Gegensatz zu Polnisch oder Tschechisch). 1-wertige Verben verlangen daher stets ein Argument im Nominativ. Bleibt daneben ein weiteres Argument übrig (2-wertige Verben), steht es (meistens) im Akkusativ. Gibt es daneben noch ein drittes Argument (3-wertige Verben), hängt der Kasus von der thematischen Rolle ab, die das Verb dem Argument zuweist (in der deutschen Sprache läuft das oft auf den Dativ hinaus).
  
 
===Transitivität===
 
===Transitivität===
  
Und noch eine wichtige terminologische Hürde ist zu nehmen. 2-wertige Verben werden häufig als '''transitive Verben''' bezeichnet. Der Begriff kommt von lateinisch ''trans-ire'' was soviel wie ‚hindurchgehen, durchschreiten‘ bedeutet. Die Idee ist, dass die Handlung des Verbs von einem „Täter“ – Agens – (Subjekt) ausgeht und dass ein „Opfer“ – Patiens“ – (Objekt) am anderen Ende auf die eine oder andere Weise davon beeinflusst (durchschritten) wird. Mein kleines Schaubild zeigt in etwa, wie die Handlung transitiv das arme Opfer erfasst.
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Und noch eine wichtige terminologische Hürde ist zu nehmen. 2-wertige Verben werden häufig als '''transitive Verben''' bezeichnet. Der Begriff kommt von lateinisch ''trans-ire'' was soviel wie ‚hindurchgehen, durchschreiten‘ bedeutet. Die Idee ist, dass die Handlung des Verbs von der thematischen Rolle des Agens ausgeht und dass ein Patiens am anderen Ende auf die eine oder andere Weise davon beeinflusst (durchschritten) wird.
  
'''Intransitive Verben''' sind folglich jene, die nicht transitiv sind, also keine vom Agens initiierte Handlung aufweisen, die Unbeteiligte zu Partizipanten des Geschehens macht. Die Rede ist von unseren schnuckeligen 1-wertigen Verben. Wenn ich schwimme, schlafe oder pfurze, wird davon niemand direkt beeinflusst (auch wenn das im letzten Fall nicht sofort einleuchten mag). Dagegen gibt es deutliche Opfer, wenn ich schlage, beisse oder liebe.  
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'''Intransitive Verben''' sind folglich jene, die nicht transitiv sind, also keine vom Agens initiierte Handlung aufweisen, die Unbeteiligte zu Partizipanten des Geschehens macht. Die Rede ist von unseren schnuckeligen 1-wertigen Verben.* Wenn ich schwimme, schlafe oder pfurze, wird davon niemand direkt beeinflusst (auch wenn das im letzten Fall nicht sofort einleuchten mag). Dagegen gibt es deutliche Opfer, wenn ich schlage, beisse oder liebe.  
  
Im dritten und letzten Fall spricht man schließlich von '''ditransitiven Verben''' („zwei-transitiven“), die Handlung erstreckt sich bei 3-wertigen Verben also von einem Agens über ein Patiens (was in diesem Fall das direkte Objekt ist!) und schließlich zu einem dritten Partizipanten, den man modern Rezipient oder Ziel nennt. Wenn ich (Agens) dem Poldi (Rezipient) einen Ball (Patiens) gebe, dann ist von der Handlung unmittelbar (direkt!) erstmal der Ball betroffen, und danach der Poldi (indirekt!). Darauf beziehen sich letztlich auch die Attribute direktes und indirektes Objekt.  
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Im dritten und letzten Fall spricht man schließlich von '''ditransitiven Verben''' („zwei-transitiven“). Die Handlung erstreckt sich bei 3-wertigen Verben also von einem Agens über ein Patiens (was in diesem Fall das direkte Objekt ist!) und schließlich zu einem dritten Partizipanten, den man modern Rezipient oder Ziel nennt. Wenn ich (Agens) dem Poldi (Rezipient) einen Ball (Patiens) gebe, dann ist von der Handlung unmittelbar erstmal der Ball betroffen, und danach der Poldi.
  
 
Die Unterscheidung in transitive und intransitive Verben wird uns an anderer Stelle noch beschäftigen, denn durchaus nicht wenige Sprache sind in der einen oder anderen Weise von dieser Unterscheidung genauso fasziniert wie wir gerade und nehmen in ihrer Grammatik an unterschiedlichen Stellen Bezug darauf.
 
Die Unterscheidung in transitive und intransitive Verben wird uns an anderer Stelle noch beschäftigen, denn durchaus nicht wenige Sprache sind in der einen oder anderen Weise von dieser Unterscheidung genauso fasziniert wie wir gerade und nehmen in ihrer Grammatik an unterschiedlichen Stellen Bezug darauf.
  
--Schaubild--
 
  
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<small>* Auch 0-wertige Verben wie sie z. B. im Polnisch auftauchen, zählen zu den intransitiven Verben.</small>
  
 
== Kasussysteme ==
 
== Kasussysteme ==
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Wie weiter oben bereits erwähnt, sind die wichtigsten Rollen Agens und Patiens. Je nach Sprache verhalten sich diese Rollen im Vergleich zum Kasus unterschiedlich und diese Unterschiede werden wir uns jetzt genauer ansehen. Deutsch, so wie eigentlich alle indoeuropäischen Sprachen, wird als Akkusativsprache bezeichnet. Bei '''Akkusativsprachen''' gibt es mindestens zwei Kasus: ''Nominativ'' (NOM) und ''Akkusativ'' (AKK). Das erste Argument steht dabei immer im Nominativ (vorausgesetzt, es ist nicht in das Prädikat integriert) und das zweite im Akkusativ, wobei der Nominativ unabhängig von der thematischen Rolle vergeben wird.
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Jonas läuft.
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  NOM
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Jonas beißt Ute.
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  NOM        AKK
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Jonas stolpert.
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  NOM
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Die meisten Sprachen sind jedoch keine Akkusativsprachen, sondern '''Aktivsprachen'''. In diesen Kasussystemen richtet sich der Kasus danach ob es sich um einen Agens handelt oder nicht. Der Agens steht dann im ''Aktiv'' (AKT), während Nicht-Agens bei einem intransitiven Verb und der Patiens im ''Stativ'' (STA) stehen.
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Jonas läuft.
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  AKT
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Jonas beißt Ute.
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  AKT        STA
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Jonas stolpert.
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  STA
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Auch nicht selten sind die sogenannten '''Ergativsprachen'''. Diese Sprachen sind gerade für Sprecher von Akkusativ-Sprachen gewöhnungsbedürftig. Ein sehr prominenter Vertreter von Sprachen mit diesen Systemen ist Baskisch. Man kann sich diese Sprachen in etwa so vorstellen, als würde man die ganze Zeit im Passiv sprechen. Die Argumente intransitiver Verben stehen hier im ''Absolutus'' (ABS), während bei transitiven Verben das erste Argument im ''Ergativ'' (ERG) steht und das zweite im Absolutus.
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Jonas läuft.
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  ABS
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Jonas beißt Ute.
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  ERG        ABS
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Jonas stolpert.
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  ABS
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Weiterhin lassen sich Ergativsprachen in '''rollendominiert''' (rd) und '''formal dominiert''' (fd) einteilen. Den Unterschied zwischen diesen Sprachen erkennt man erst, wenn in einem Nebensatz oder einem folgenden Satz ein Reflexivpronomen steht, oder ein solches einsetzen könnte. Bei rollendominierten Sprachen bezieht sich das Pronomen auf den Agens, unabhängig vom Kasus, während sich das Pronomen in formal dominierten Sprachen auf das im Absolutus stehende Argument bezieht.
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rd: Jonas sah Ute und (er) kehrte um.
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fd: Jonas sah Ute und (sie) kehrte um.
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=== Splitsysteme ===
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{{fehlt|Beispiele}}
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Es wäre natürlich so schön einfach, wenn man alle Sprachen in ein Schema stecken und in diesem Fall das Kasussystem eindeutig bestimmen könnte. Aber wie immer im Leben, gibt es auch hier Sprachen, die nicht in dieses Raster passen wollen. Splitsysteme lassen sich je nach "Umgebung" einem anderen Kasussystem zuordnen. Dem Bastler sind in der Hinsicht praktisch keine Grenzen gesetzt. Am häufigsten sind Splitsysteme Ergativsprachen, die in bestimmten Fällen zu Akkusativsprachen mutieren.
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=== Valenzalternation ===
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{{fehlt|Erläuterungen zu Kausativ/Antikausativ und Applikativ}}
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Wie weiter oben schon erwähnt, ist es möglich, dass die Argumente eines Verbs verändert werden. Der Passiv ist als Beispiel für diese Valenzalternation bereits erwähnt worden, aber es gibt noch viele andere Varianten.
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Wollen wir uns aber erst einmal den Passiv ansehen, um einen ersten Eindruck von der Verwandlung zu bekommen:
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Hans gibt Anna ein Buch.
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AG        REZ      THM
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NOM      DAT      AKK
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Sehen wir uns zunächst die Ausgangssituation an. "geben" hat drei obligatorische Argumente, Agens, Rezipient und Thema. An der Oberfläche wird dem Agens der Nominativ, dem Rezipienten der Dativ und dem Thema der Akkusativ zugeordnet. Wenn keine Alternationsregeln greifen, werden die Rollen Agens und Experiencer im Deutschen immer dem Nominativ zugeordnet, Patiens, Stimulus und Thema erhalten meistens den Akkusativ und der Rezipient steht hier im Dativ. Standardzuordnungen in einem Standardsatz der deutschen Sprache.
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Anna wird ein Buch (von Hans) gegeben.
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REZ          THM      AG
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DAT          NOM  PP+DAT
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Was passiert hier? Der Agens wird als Argument getilgt und muss mit einer Präposition wieder eingeführt werden, wenn man ihn nicht ganz auslöschen will. Damit hinterlässt der Agens allerdings eine Lücke an der Stelle, wo der Nominativ stehen sollte. Im Passiv sind es Patiens, Stimulus oder Thema (also die Akkusativ bevorzugenden Rollen), die an die Stelle des Agens rücken. Somit steht hier jetzt das Buch Nominativ. Hans bekommt dagegen seinen Kasus von der Präposition diktiert, da er den Nominativ zurückgelassen hat, wie ein Kleidungsstück.
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Im letzten Beispiel wurde (platt gesagt) das Verb in einer anderen Form wiedergegeben, um die Valenzalternation durchzuführen. Wie immer in der Sprache, gibt es aber mehr als eine Möglichkeit um dies zu erreichen. Es können komplett andere Verben verwendet ("Anna erhält ein Buch."), Wortformen oder Kombinationen mit Hilfverben gebraucht (s. o.), oder [[Wortbildung|Ableitungen angewandt]] werden.
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 +
Außerdem können viele andere Alternationen eingesetzt werden. Die folgende Tabelle enthält ein paar besonders gebräuchliche Valenzalternationen:
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 +
{|class="wikitable" style="text-align:center;"
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!Alternation
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!Beispielsatz
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!Name
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|-
 +
| -AG
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|Das Buch wird (von Anna) gelesen.
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|Passiv
 +
|-
 +
| -Arg2
 +
|Anna liest (das Buch)
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|Antipassiv
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|-
 +
| +AG(V)
 +
|Hans veranlasst Anna zu lesen
 +
|Kausativ
 +
|-
 +
| -AG(V)
 +
|Anna liest (veranlasst durch Hans).
 +
|Antikausativ
 +
|-
 +
| +Arg2
 +
|Hans begeht den Weg.
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|Applikativ
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|}
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Ein paar Dinge in der Tabelle benötigen ein paar weitere Ausführungen. Fangen wir einmal oben an. Das Passiv dürfte wohl jedem hier geläufig sein und ist eine der am häufigsten anzutreffenden Valenzalternationen. Hierbei wird der Agens getilgt und kann nur noch mit zusätzlicher Präposition eingefügt werden. Die Präposition selbst vergibt einen eigenen Kasus, was in diesem Fall auch nötig ist, da der ursprüngliche Kasus (hier der Nominativ) vom Buch besetzt wurde. Aus dem 2-wertigen Verb "lesen" ist also ein 1-wertiges Verb "gelesen werden" geworden. Der Nominativ ist eine Art zwingender Kasus, der in jedem Satz vorkommen muss. (Vorausgesetzt natürlich, es handelt sich um eine Akkusativ-Sprache, bei Ergativ-Sprachen nennt sich der zwingende Kasus z. B. Absolutus, andere Sprachen haben dagegen keinen solchen Kasus.) Hier wird also ein Argument getilgt.
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Genauso wie im zweiten Fall. Der Antipassiv ist eine Alternation, die im Deutschen (und überhaupt in allen Akkusativ-Sprachen) so im eigentlichen Sinn nicht vorkommt, dafür spielt er aber in Ergativ-Sprachen eine große Rolle. Anstatt des ersten Arguments, wird das zweite getilgt, und damit das Element, das im Absolutus steht. Es verdeutlicht auch gut, wie die einzelnen Ebenen ineinander verschlungen sind. Wir können die Valenzalternation aus Sicht der Rollen oder aber aus Sicht der Argumente betrachten. Da jedes Argument mit einer bestimmten Rolle verknüpft ist, ist die Betrachtung aus beiden Richtungen möglich und richtig.
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[...]
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Entsprechend dieser Beispiele können auch andere Valenzalternationen erdacht werden und die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Erdachte in einer irdischen Sprache wieder findet ist nicht klein.
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=== Wie viel Kasus darf es sein? ===
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{{fehlt|siehe Notizen}}
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Sprachen haben eine sehr unterschiedliche Anzahl an Kasus. Das fängt bei zwei an und geht praktisch unbegrenzt nach oben, wobei bei Sprachen mit vielen Kasus die Vielfalt aus einer Vermischung mit anderen grammatischen Einheiten resultiert, wodurch es eine gewisse Unschärfe gibt, was die Anzahl an Kasus angeht. Ein gutes Beispiel dafür ist Ungarisch, das je nach Zählung zwischen 18 und 40 Kasus hat. Dabei kommt es zum Beispiel zur Vermischung mit Adpositionen, wodurch wir ein System erhalten, das sowohl grammatische Einteilungen als auch semantische Bedeutungen miteinander kombiniert.
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Aber fangen wir klein an. Im einfachsten Fall gibt es wie bereits erwähnt zwei Kasus, einen Hauptkasus und einen Sammelkasus (meist "Obliquus" genannt) für alle anderen Fälle.
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Notizen:
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* Was wollen wir mit dem Kasus überhaupt erreichen?
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* Der Kasus wird durch verschiedene Strukturen diktiert:
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** Thematische Rolle
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** Valenz-/Argumentreihenfolge
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** Adposition
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* Kasus kann unterschiedlich realisiert werden:
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** Flexion/Morphem
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** Partikel/Artikel
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** Wortstellung (kann Kasus erzetzen)
 +
 +
* Kongruenz
 +
* syntaktische vs semantische Bedeutung

Aktuelle Version vom 8. Dezember 2015, 14:20 Uhr

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