Das menschliche Lautinventar

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K (Wie bilde ich Laute?)
K (Besondere Laute im Porträt)
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Der einzige Laut, der einen eigenen Namen bekommen hat, ist das Schwa. Und das hat seinen Grund. Das Schwa kommt in jeder (menschlichen) Sprache dieser Welt vor und zeigt doch immer wieder seine ganz besonderen Eigenarten. Es handelt sich dabei sozusagen um die Grundstellung des Sprechens. Ein Vokal der in keiner Hinsicht extrem ist, es sei denn, extrem unauffällig und extrem anpassungsfähig. Und genau da fängt der Spaß an. Das Schwa kennt eine Unzahl an Varianten, was vor allem daher kommt, dass dieser Laut besonders anpassungfähig ist und sich den umgebenden Lauten quasi unterwirft. Sieht man sich im Vokaltrapez die Mitte an, sieht man dort das Schwa und vier weitere Zeichen, die sich darum befinden. Es ist eine fast schon lächerlich kleine Auswahl, mit der nur ein Bruchteil der Varianten des Schwa dargestellt werden können. Ein Dialektforscher kann so schnell an die Grenzen des IPA gelangen, weil er sich einen Ast abbrechen muss, um mit diakritischen Zeichen das gehörte Schwa darzustellen.
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Der einzige Laut, der einen eigenen Namen bekommen hat, ist das Schwa. Und das hat seinen Grund. Das Schwa kommt in jeder (menschlichen) Sprache dieser Welt vor und zeigt doch immer wieder seine ganz besonderen Eigenarten. Es handelt sich dabei sozusagen um die Grundstellung des Sprechens. Ein Vokal der in keiner Hinsicht extrem ist, es sei denn extrem unauffällig und extrem anpassungsfähig. Und genau da fängt der Spaß an. Das Schwa kennt eine Unzahl an Varianten, was vor allem daher kommt, dass dieser Laut besonders anpassungfähig ist und sich den umgebenden Lauten quasi unterwirft. Sieht man sich im Vokaltrapez die Mitte an, sieht man dort das Schwa und vier weitere Zeichen, die sich darum befinden. Es ist eine fast schon lächerlich kleine Auswahl, mit der nur ein Bruchteil der Varianten des Schwa dargestellt werden können. Ein Dialektforscher kann so schnell an die Grenzen des IPA gelangen, weil er sich einen Ast abbrechen muss, um mit diakritischen Zeichen das gehörte Schwa darzustellen.
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Man könnte das Schwa auch als Nicht-Laut bezeichnen, denn in den meisten Sprachen ist es grundsätzlich unbetont. Manche Sprachen haben sogar noch zu dem üblichen Schwa-Laut zusätzliche Nicht-Laute, wie das deutsche Lehrer-Schwa [ɐ], das, wie der Name schon sagt, beispielsweise am Ende des Wortes "Lehrer" gesprochen wird. Es taucht an vielen Stellen auf, wo wir orthographisch ein "(e)r" stehen haben.
 
Man könnte das Schwa auch als Nicht-Laut bezeichnen, denn in den meisten Sprachen ist es grundsätzlich unbetont. Manche Sprachen haben sogar noch zu dem üblichen Schwa-Laut zusätzliche Nicht-Laute, wie das deutsche Lehrer-Schwa [ɐ], das, wie der Name schon sagt, beispielsweise am Ende des Wortes "Lehrer" gesprochen wird. Es taucht an vielen Stellen auf, wo wir orthographisch ein "(e)r" stehen haben.
  
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====Nasale====
 
====Nasale====
In den meisten Sprachen, finden sich Nasalkonsonanten, wie [n] oder [m]. Was zunächst auffällt, auch wenn man sich die IPA-Tabelle ansieht, ist, dass es scheinbar nur stimmhafte Nasale gibt. Das kann man sich auch denken, wenn man mal versucht, einen stimmlosen Nasal zu bilden. Aber es gibt dennoch Ausnahmen. Gar nicht so selten wie man glauben mag, kommen stimmlose Nasale als Allophone von Phonemen vor. Was ist das denn schon wieder? Was es damit genau auf sich hat, erfährst du im Kapitel "Wie Sprachen Laute benutzen". Soviel sei aber an dieser Stelle verraten: Sie werden meistens nicht als eigener Laut erkannt, weil sie nur als Teil (Allophon) einer sprachlichen Lauteinheit (den Phonemen) vorkommen. Stimmt nicht ganz. Birmanesisch ist eines der wenigen Sprachen, in denen stimmlose Nasalkonsonanten auch direkt benutzt werden.
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In den meisten Sprachen, finden sich Nasalkonsonanten wie [n] oder [m]. Was zunächst auffällt, auch wenn man sich die IPA-Tabelle ansieht, ist, dass es scheinbar nur stimmhafte Nasale gibt. Das kann man sich auch denken, wenn man mal versucht, einen stimmlosen Nasal zu bilden. Aber es gibt dennoch Ausnahmen. Gar nicht so selten wie man glauben mag, kommen stimmlose Nasale als Allophone von Phonemen vor. Was ist das denn schon wieder? Was es damit genau auf sich hat, erfährst du im Kapitel "[[Wie Sprachen Laute benutzen]]". Soviel sei aber an dieser Stelle verraten: Sie werden meistens nicht als eigener Laut erkannt, weil sie nur als Teil (Allophon) einer sprachlichen Lauteinheit (Phonem) vorkommen. Das stimmt aber nicht ganz: Birmanisch ist eine der wenigen Sprachen, in denen stimmlose Nasalkonsonanten auch direkt benutzt werden.
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Die oben bereits erwähnten Laute [n] und [m] sind die häufigsten Nasale. Man kann davon ausgehen, dass wenn eine Sprache Nasale enthält, dann auch diese beiden Laute enthalten sind. Immerhin gehören diese Laute zu den ersten, die ein Säugling von sich geben kann. Gibt es denn Sprachen, in denen keine Nasale vorkommen? Ja, ein Beispiel für so eine Sprache ist das Pirahã.
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Ein besonderes Phänomen zeigt sich bei dem labiodentalen Nasal [ɱ], also dem Nasal, der mit Unterlippe und Zähnen gebildet wird. Ähnlich wie bei den stimmlosen Nasalen tritt er relativ häufig auf, aber eben für den Sprecher nicht bewusst, sondern nur, weil die umgebenden Laute das "so wollen", zum Beispiel bei "Senf", bei dem das [f], selbst ein labiodentaler Laut, das "n" zu einem [ɱ] macht. Dagegen gibt es nur wenige Sprachen, in denen der labiodentale Nasal als eigenständige Lauteinheit wahrgenommen wird.
  
Die oben bereits erwähnten Laute [n] und [m] sind die häufigsten Nasale. Man kann davon ausgehen, dass wenn eine Sprache Nasale enthält, dann auch diese beiden Laute enthalten sind. Immerhin gehören diese Laute zu den ersten, die ein Säugling von sich geben kann. Gibt es denn Sprachen, in denen keine Nasale vorkommen? Ja, ein Beispiel für so eine Sprache ist das Pirahã.<br />
 
Ein besonderes Phänomen zeigt sich bei dem labiodentalen Nasal [ɱ], also dem Nasal, der mit Unterlippe und Zähnen gebildet wird. Ähnlich wie bei den stimmlosen Nasalen tritt er relativ häufig auf, aber eben für den Sprecher nicht bewusst, sondern nur, weil die umgebenden Laute das "so wollen", zum Beispiel bei "Senf", bei dem das [f], selbst ein labiodentaler Laut, das "n" zu einem [ɱ] macht. Dagegen gibt es nur wenige Sprachen, in denen der labiodentale Nasal als eigenständige Lauteinheit wahrgenommen wird.<br />
 
 
Etwas seltener als [n] und [m], aber doch noch einigermaßen häufig ist der velare Nasal [ŋ], der beispielsweise im Wort "eng" auftaucht. In den germanischen und den romanischen Sprachen kommt er nicht am Wortanfang vor, aber das muss so nicht sein. Vor allem bei afrikanischen Sprachen kommt das [ŋ] recht oft vor.
 
Etwas seltener als [n] und [m], aber doch noch einigermaßen häufig ist der velare Nasal [ŋ], der beispielsweise im Wort "eng" auftaucht. In den germanischen und den romanischen Sprachen kommt er nicht am Wortanfang vor, aber das muss so nicht sein. Vor allem bei afrikanischen Sprachen kommt das [ŋ] recht oft vor.
Noch etwas seltener sind der dentale Nasal [n̪], der mit der Zunge an den Zähnen gebildet wird und der palatale Nasal [ɲ] mit der Zunge am Palatum (siehe oben). Es folgen das retroflexe [ɳ] und das uvulare [ɴ]. (Auch die beiden Begriffe sind weiter oben beschrieben.)
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Noch etwas seltener sind der dentale Nasal [n̪], der mit der Zunge an den Zähnen gebildet wird, und der palatale Nasal [ɲ] (das spanische "ñ") mit der Zunge am Palatum (siehe oben). Es folgen das retroflexe [ɳ] und das uvulare [ɴ]. (Auch die beiden Begriffe sind weiter oben beschrieben.)
  
 
====Nasalvokale====
 
====Nasalvokale====
Im Unterschied zu den Nasalkonsonanten, bei denen der Mundraum komplett geschlossen ist, bleibt der Mund bei Nasalvokalen offen. Klar, sonst wären es keine Vokal. Wir erinnern uns, ein Vokal ist ein Laut, bei dem die Luft ungehindert durch den Vokaltrakt strömt. Nasalvokale haben also die Besonderheit, dass die Luft sowohl durch den Mund, als auch durch die Nase entweichen kann. Solche Laute kommen wesentlich seltener vor, als Nasalkonsonanten, sind aber dennoch in vielen Sprachen und Dialekten zu finden, wobei nur wenige Sprachen diese auch tatsächlich als eigenständige Lauteinheiten wahrnehmen, wie Französisch. Einige Sprachen haben auch Nasalvokale, die zwar als Lauteinheit wahrgenommen werden, diese aber nicht unbedingt Nasal aussprechen. Je nach Umgebung fällt zum Beispiel im Polnischen der nasale Teil des Lautes einfach weg oder wird zum hinterher geschobenen Nasalkonsonanten.
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Im Unterschied zu den Nasalkonsonanten, bei denen der Mundraum komplett geschlossen ist, bleibt der Mund bei Nasalvokalen offen. Klar, sonst wären es keine Vokale. Wir erinnern uns, ein Vokal ist ein Laut, bei dem die Luft ungehindert durch den Vokaltrakt strömt. Nasalvokale haben also die Besonderheit, dass die Luft sowohl durch den Mund als auch durch die Nase entweichen kann. Solche Laute kommen wesentlich seltener vor, als Nasalkonsonanten, sind aber dennoch in vielen Sprachen und Dialekten zu finden, wobei nur wenige Sprachen diese auch tatsächlich als eigenständige Lauteinheiten verwenden; das bekannteste Beispiel ist sicher Französisch. Einige Sprachen haben auch Nasalvokale, die zwar als Lauteinheit wahrgenommen werden, diese aber nicht unbedingt Nasal aussprechen. Je nach Umgebung fällt zum Beispiel im Polnischen der nasale Teil des Lautes einfach weg oder wird zum hinterher geschobenen Nasalkonsonanten.
  
 
====Nasalierungen====
 
====Nasalierungen====
Wie oben bereits beschrieben, sind Nasalierungen keine eigenständigen Laute, sollten hier an der Stelle aber trotzdem erwähnt werden. Einige Sprachen können eine stärkere oder schwächere Nasalierung bei bestimmten Lauten in bestimmten Umgebungen ausbilden. Dies geschieht vor allem dann, wenn sich ein Nasal oder ein Nasalkonsonant direkt vor oder nach dem nasalierten Laut befindet. Andere Sprachen haben einen nasalen Grundton, also generell einen leicht gesenkten Gaumen, wodurch Luft auch immer durch den Nasenraum strömen kann. Das muss nicht auffällig sein, sorgt aber mit für einen sprachtypischen "Akzent", wie es bei Englisch der Fall ist.
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Wie oben bereits beschrieben, sind Nasalierungen keine eigenständigen Laute, sollten hier an der Stelle aber trotzdem erwähnt werden. Einige Sprachen können eine stärkere oder schwächere Nasalierung bei bestimmten Lauten in bestimmten Umgebungen ausbilden. Dies geschieht vor allem dann, wenn sich ein Nasal oder ein Nasalkonsonant direkt vor oder nach dem nasalierten Laut befindet. Andere Sprachen haben einen nasalen Grundton, also generell einen leicht gesenkten Gaumen, wodurch Luft auch immer durch den Nasenraum strömen kann. Das muss nicht auffällig sein, sorgt aber mit für einen sprachtypischen "Akzent", wie es beim Englischen der Fall ist.
  
 
=== Plosive ===
 
=== Plosive ===
Eine besondere Rolle unter den Konsonanten spielen die Plosive. Hier ist es nicht damit getan, dass wir den Artikulationsort nennen und dazu sagen, ob der Laut stimmhaft oder stimmlos ist. Entscheidend ist hier nämlich, der zeitliche Rahmen und noch einige weitere Eigenschaften, die hier näher betrachtet werden sollen.
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Eine besondere Rolle unter den Konsonanten spielen die Plosive. Hier ist es nicht damit getan, dass wir den Artikulationsort nennen und dazu sagen, ob der Laut stimmhaft oder stimmlos ist. Entscheidend ist hier nämlich der zeitliche Rahmen und noch einige weitere Eigenschaften, die hier näher betrachtet werden sollen.
  
 
====Stimmhaftigkeit====
 
====Stimmhaftigkeit====
 
![Bild zur VOT]!
 
![Bild zur VOT]!
Zunächst einmal erscheint es recht einfach, die Plosive in stimmhaft und stimmlos zu unterteilen, stoßen aber schnell auf Probleme, wenn wir Spanisch lernen und wir beispielsweise ein "b" aussprechen sollen. Der Spanier versteht unter Umständen ein "p", es kann zu Missverständnissen kommen. Oder wir nehmen einen Koreaner und der spricht drei Wörter, die für uns nahezu gleich klingen, aber für ihn sind es drei verschiedene Plosive.<br />
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Zunächst einmal erscheint es recht einfach, die Plosive in stimmhaft und stimmlos zu unterteilen. Wir stoßen aber schnell auf Probleme, wenn wir Spanisch lernen und wir beispielsweise ein "b" aussprechen sollen. Der Spanier versteht unter Umständen ein "p", es kann zu Missverständnissen kommen. Oder wir nehmen einen Koreaner und der spricht drei Wörter, die für uns nahezu gleich klingen, aber für ihn sind es drei verschiedene Plosive.
Woran liegt das? Das Stichwort heißt Stimmeinsatzzeit. (Der Phonetiker spricht hier von der VOT (Voice Onset Time).) Damit ist der Zeitpunkt gemeint, an dem die Stimme einsetzt. Sie kann nämlich vor der Plosion (vollstimmhaft), gleichzeitig mit der Plosion (halbstimmhaft) und nach der Plosion (stimmlos) einsetzen. Damit haben wir schon drei verschiedene Zustände, aber es hört noch nicht auf, denn auch die Zeit spielt eine Rolle, also wieviele Millisekunden es dauert, bis die Stimme einsetzt. Die koreanische Sprache kennt keine echten stimmhaften Plosive (übrigens ähnlich wie die deutsche Sprache, auch wenn es hier ein paar Ausnahmen gibt), aber es ist entscheidend, wie lange die Pause bis zum Stimmeinsatz ist. Der Plosiv mit der kürzeren Pause wird vom Koreaner als stimmhaft wahrgenommen, der mit der längeren Pause als stimmlos, obwohl akustisch gesehen beide Laute stimmlos sind.<br /> Sollten dir in diesem Zusammenhang die Worte ''fortis'' und ''lenis'' in den Sinn kommen, so ist das genau richtig. Diese Unterscheidung wurde "erfunden" um genau das beschriebene Phänomen im Deutschen zu benennen. ''Fortis''-Laute sind dabei die Plosive, die auch tatsächlich als stimmlos wahrgenommen werden, während ''Lenis''-Laute, uns glauben machen, sie wären stimmhaft.
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Woran liegt das? Das Stichwort heißt '''Stimmeinsatzzeit'''. (Der Phonetiker spricht hier von der VOT (Voice Onset Time).) Damit ist der Zeitpunkt gemeint, an dem die Stimme einsetzt. Sie kann nämlich vor der Plosion (vollstimmhaft), gleichzeitig mit der Plosion (halbstimmhaft) und nach der Plosion (stimmlos) einsetzen. Damit haben wir schon drei verschiedene Zustände, aber es hört noch nicht auf, denn auch die Zeit spielt eine Rolle, also wieviele Millisekunden es dauert, bis die Stimme einsetzt. Die koreanische Sprache kennt keine echten stimmhaften Plosive (übrigens ähnlich wie die deutsche Sprache, auch wenn es hier ein paar Ausnahmen gibt), aber es ist entscheidend, wie lange die Pause bis zum Stimmeinsatz ist. Der Plosiv mit der kürzeren Pause wird vom Koreaner als stimmhaft wahrgenommen, der mit der längeren Pause als stimmlos, obwohl akustisch gesehen beide Laute stimmlos sind.
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Sollten dir in diesem Zusammenhang die Worte ''fortis'' und ''lenis'' in den Sinn kommen, so ist das genau richtig. Diese Unterscheidung wurde "erfunden", um genau das beschriebene Phänomen im Deutschen zu benennen. ''Fortis''-Laute sind dabei die Plosive, die auch tatsächlich als stimmlos wahrgenommen werden, während ''Lenis''-Laute, uns glauben machen, sie wären stimmhaft.
  
 
====Aspiration und Präaspiration====
 
====Aspiration und Präaspiration====
Zusätzlich zur Stimmeinsatzzeit kann nach der Plosion ein Rauschen zu hören sein. Dieses entsteht, wenn die sich die Stimmlippen langsam öffnen, während bereits Luft herausströmt. Am häufigsten ist dieses Rauschen, das als Aspiration bekannt ist, bei stimmlosen Lauten. Aspiration bei stimmhaften Plosiven kommt dagegen nur sehr selten zum Einsatz. (Ein Beispiel für eine Sprache, die sogar viel Gebrauch von stimmhafter Aspiration macht, ist Indisch.) Das liegt daran, dass die Stimmlippen quasi durchgehend schwingen und es deshalb deutlich schwerer ist, dann gleichzeitig das Aspirationsrauschen zu erzeugen, außerdem ist die stimmhafte Aspiration nicht so prägnant, wie die stimmlose.<br/>Wie lang die Aspiration ist, ist sprach-, umgebungs- und lautspezifisch. Eine Sprache mit besonders langer Aspiration ist das Thai.
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Zusätzlich zur Stimmeinsatzzeit kann nach der Plosion ein Rauschen zu hören sein. Dieses entsteht, wenn sich die Stimmlippen langsam öffnen, während bereits Luft herausströmt. Am häufigsten ist dieses Rauschen, das als '''Aspiration''' bekannt ist, bei stimmlosen Lauten. Auch im Deutschen sind die stimmlosen Plosive "p", "t" und "k" meistens aspiriert, ganz besonders in betonten Silben.
  
In einigen wenigen Sprachen kommt auch noch ein anderes, als Präaspiration bekanntes Phänomen vor, das allerdings nicht ganz so eindeutig ist, wie die Aspiration. Es handelt sich um ein Rauschen vor dem Laut das auch wissenschaftlich noch wenig erforscht und wahrscheinlich in keiner irdischen Sprache bedeutungsunterscheidend ist. Das Rauschen wird meistens wie bei der Aspiration an den Stimmlippen realisiert, kann aber je nach Sprache mehr oder weniger stark durch die vorhergehenden Lauten abgeändert werden und sogar an den Lippen erzeugt werden.   
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Aspiration bei stimmhaften Plosiven kommt dagegen nur sehr selten zum Einsatz. (Ein Beispiel für eine Sprache, die sogar viel Gebrauch von stimmhafter Aspiration macht, ist das in Indien gesprochene Hindi.) Das liegt daran, dass die Stimmlippen quasi durchgehend schwingen und es deshalb deutlich schwerer ist, dann gleichzeitig das Aspirationsrauschen zu erzeugen, außerdem ist die stimmhafte Aspiration nicht so prägnant wie die stimmlose.
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Wie lang die Aspiration dauert, ist sprach-, umgebungs- und lautspezifisch. Eine Sprache mit besonders langer Aspiration ist das Thai.
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In einigen wenigen Sprachen kommt auch noch ein anderes, als Präaspiration bekanntes Phänomen vor, das allerdings nicht ganz so eindeutig ist wie die Aspiration. Es handelt sich um ein Rauschen vor dem Laut, das auch wissenschaftlich noch wenig erforscht und wahrscheinlich in keiner irdischen Sprache bedeutungsunterscheidend ist. Das Rauschen wird meistens wie bei der Aspiration an den Stimmlippen realisiert, kann aber je nach Sprache mehr oder weniger stark durch die vorhergehenden Laute abgeändert werden und sogar an den Lippen erzeugt werden.   
 
<br/>-> Beispiele!<br/>
 
<br/>-> Beispiele!<br/>
 
*Aspiration (Danish, Thai)
 
*Aspiration (Danish, Thai)
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*slack voice: Stimmlippen vibrieren, aber schwach; leicht erhöhter Luftstrom
 
*slack voice: Stimmlippen vibrieren, aber schwach; leicht erhöhter Luftstrom
 
*stiff voice: Stimmlippen vibrieren, aber angespannt; leicht erniedrigter Luftstrom; kann mit Knarrstimme verwechselt werden
 
*stiff voice: Stimmlippen vibrieren, aber angespannt; leicht erniedrigter Luftstrom; kann mit Knarrstimme verwechselt werden
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====Öffnung und Formantabbiegungen====
 
====Öffnung und Formantabbiegungen====
Formanten sind, wie weiter oben bereits erklärt, lautere Frequenzbereiche, die vor allem für Vokale charakteristisch sind. Die Öffnung eines Plosivs macht ein leises Knackgeräusch, das in einer lauten Umgebung leicht untergeht. Trotzdem hören wir den Laut problemlos heraus. Und das liegt an den Formantabbiegungen. Bei einem Vokal haben wir in der Regel Formanten, die über den gesamten Laut gleich sind. Zumindest in der Theorie. In der Praxis aber werden diese Formanten an die Umgebung angepasst, weshalb zum Beispiel ein Diphtong steigende oder fallende Formanten haben kann. Öffnet sich ein Plosiv, verändert sich auch das Ansatzrohr, bis es die Stellung des Vokals erreicht hat, der dem Plosiv folgt. Und genau das hören wir und können es auch messen. Vor allem interessant ist, dass jeder Plosiv seine eigenen theoretischen Formanten hat, die zwar im Laut selbst nicht zu hören sind, aber dem Vokal einen typischen Klang gibt, sodass wir den Plosiv im Vokal nachklingen hören und ihn deshalb eigentlich nicht wirklich hören müssen.
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Formanten sind, wie weiter oben bereits erklärt, lautere Frequenzbereiche, die vor allem für Vokale charakteristisch sind. Die Öffnung eines Plosivs macht ein leises Knackgeräusch, das in einer lauten Umgebung leicht untergeht. Trotzdem hören wir den Laut problemlos heraus. Und das liegt an den Formantabbiegungen. Bei einem Vokal haben wir in der Regel Formanten, die über den gesamten Laut gleich sind. Zumindest in der Theorie. In der Praxis aber werden diese Formanten an die Umgebung angepasst, weshalb zum Beispiel ein Diphthong steigende oder fallende Formanten haben kann. Öffnet sich ein Plosiv, verändert sich auch das Ansatzrohr, bis es die Stellung des Vokals erreicht hat, der dem Plosiv folgt. Und genau das hören wir und können es auch messen. Vor allem ist interessant, dass jeder Plosiv seine eigenen theoretischen Formanten hat, die zwar im Laut selbst nicht zu hören sind, aber dem Vokal einen typischen Klang gibt, sodass wir den Plosiv im Vokal nachklingen hören und ihn deshalb eigentlich nicht wirklich hören müssen.
 
*(nasal, lateral, nicht hörbar)
 
*(nasal, lateral, nicht hörbar)
 
*nasale Öffnung (Yeletnye, Arrernte)
 
*nasale Öffnung (Yeletnye, Arrernte)
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====Glottalverschluss [ʔ]====
 
====Glottalverschluss [ʔ]====
Fast jede Sprache hat ihn, aber kaum einer weiß es. Der Glottalverschluss gehört zu den häufigsten und dennoch zu den unbekanntesten Lauten, da er nur selten auch bedeutungsunterscheidend ist. Die deutsche Sprache benutzt diesen Laut sogar sehr häufig, weshalb manche Engländer empfinden, als würden die Deutschen beim Sprechen husten. Hier kommt der Glottalverschluss allerdings nur im Silbenanfang vor, so wie in den meisten anderen Sprachen auch. Ein paar wenige Sprachen benutzen diesen Plosiv auch im Silbenende, was auf uns wirkt, als würden die Sprecher rückwärts sprechen.<br/>
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Fast jede Sprache hat ihn, aber kaum einer weiß es. Der Glottalverschluss gehört zu den häufigsten und dennoch zu den unbekanntesten Lauten, da er nur relativ selten auch bedeutungsunterscheidend ist. Die deutsche Sprache benutzt diesen Laut sogar sehr häufig, weshalb manche Engländer empfinden, als würden die Deutschen beim Sprechen husten. Bei uns kommt der Glottalverschluss allerdings nur im Silbenanfang vor, so wie in den meisten anderen Sprachen auch. Einige Sprachen benutzen diesen Plosiv aber auch im Silbenende, was auf uns wirkt, als würden die Sprecher rückwärts sprechen.
Gebildet wird der Glottalverschluss an der Glottis, also den Stimmlippen, weshalb es auch keine (voll-)stimmhafte Variante gibt. Gerade als Sprachenbastler sollte man sich dieses Lautes bewusst sein, dass er in unterschiedlichen Sprachen durchaus unterschiedlich gebraucht wird und dass es meist unbewusst geschieht. Deshalb ist der Glottalverschluss auch oft mitschuldig am "fremdländischen Akzent" nichtmuttersprachlicher Sprecher.
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Gebildet wird der Glottalverschluss an der Glottis, also den Stimmlippen, weshalb es auch keine (voll-)stimmhafte Variante gibt. Gerade als Sprachenbastler sollte man sich dieses Lautes bewusst sein, dass er in unterschiedlichen Sprachen durchaus unterschiedlich gebraucht wird und dass es oft unbewusst geschieht. Deshalb ist der Glottalverschluss auch oft mitschuldig am "fremdländischen Akzent" nichtmuttersprachlicher Sprecher.
  
 
====Affrikaten====
 
====Affrikaten====
Sicherlich nicht selten, aber auch nicht allzu häufig sind die Affrikaten zu finden. Dabei handelt es sich um Lautkombinationen aus einem Plosiv und einem folgenden Frikativ. Der Frikativ wird entweder am selben oder am benachbarten Ort gebildet, wie der Plosiv. Das Besondere an den Affrikaten und der Grund, weshalb sie einen eigenen Namen haben, ist, dass sie sich wie ein Laut verhalten. In den Sprachen, wo Affrikaten vorkommen, sind sie ähnlich lang, wie die entsprechenden isolierten Frikative. Prominente Beispiele für Sprachen mit Affrikaten sind Deutsch und Navajo. Die standard-deutschen Affrikaten sind [pf] (Pferd) [ts] (Zahl), [] (Kutsche) und [dʒ] Dschungel.<br/>
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Sicherlich nicht selten, aber auch nicht allzu häufig sind die Affrikaten zu finden. Dabei handelt es sich um Lautkombinationen aus einem Plosiv und einem folgenden Frikativ. Der Frikativ wird entweder am selben oder am benachbarten Ort gebildet wie der Plosiv. Das Besondere an den Affrikaten und der Grund, weshalb sie einen eigenen Namen haben, ist der, dass sie sich wie ein einziger Laut verhalten. In den Sprachen, wo Affrikaten vorkommen, sind sie ähnlich lang, wie die entsprechenden isolierten Frikative. Prominente Beispiele für Sprachen mit Affrikaten sind Deutsch und Navajo. Die standard-deutschen Affrikaten sind [p͡f] wie in "<u>Pf</u>erd", [t͡s] wie in "<u>Z</u>ahl", [t͡ʃ] wie in "Ku<u>tsch</u>e" und [dʒ] wie in "<u>Dsch</u>ungel".
Das /x/ ist keine Affrikate, sondern erscheint uns nur als ein Laut, weil wir einen Buchstaben dafür haben. Tatsächlich ist es aber eine Kombination zweier separater Laute, nämlich [k] und [s].
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Das 'x' ist keine Affrikate, sondern erscheint uns nur als ein Laut, weil wir einen eigenen Buchstaben dafür haben. Tatsächlich ist es aber eine Kombination zweier separater Laute, nämlich [k] und [s].
  
 
====Weitere Unterscheidungen bei Plosiven====
 
====Weitere Unterscheidungen bei Plosiven====
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*Doppelplosive
 
*Doppelplosive
 
=== besonders seltene Laute ===
 
=== besonders seltene Laute ===
*'''Der gerundete stimmlose palato-alveolare Frikativ [ʃ̹]'''<br/>Vor allem im Westen Deutschlands wird ein Laut realisiert, der sonst nur zustande kommt, wenn ein Laut von seinem (gerundeten) Nachbarlaut "gefärbt" wurde. Das führt in manchen Regionen sogar zu einer Lautunterscheidung z. B. zwischen [kʰœɐ̯ʃə] (Kirche) und [kʰœɹʃ̹ə] (Kirsche).
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*'''Der gerundete stimmlose palato-alveolare Frikativ [ʃ̹] oder [ʃʷ]'''<br/>Vor allem im Westen Deutschlands wird ein Laut realisiert, der sonst nur zustande kommt, wenn ein Laut von seinem (gerundeten) Nachbarlaut "gefärbt" wurde. Das führt in manchen Regionen sogar zu einer Lautunterscheidung z.B. zwischen [kʰœɐ̯ʃə] ("Kirche") und [kʰœɐ̯ʃ̹ə] ("Kirsche").<br/>Die Lippenrundung spielt übrigens eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Klischees, dass echte Kölner angeblich nicht zwischen 'sch' und 'ch' unterscheiden können. Tatsächlich unterscheidet der kölsche Dialekt einfach weniger den Artikulationsort als vielmehr die Lippenrundung: 'sch' [ʃ̹] gegenüber 'ch' [ʃ]. Für Leute aus anderen Gegenden klingt das dann beides wie 'sch', weil das "weiche" 'ch' auf Hochdeutsch als palataler Frikativ [ç] gesprochen wird.  
 
*'''Der stimmlose velo-palatale Frikativ [ɧ]'''<br/>Im Schwedischen wird ein Laut gesprochen, bei dem sich selbst einheimische Phonetiker nicht sicher sind, wie er genau realisiert wird bzw. ob es ihn wirklich gibt. Ein Bedeutungsunterschied existiert auf jeden Fall, aber die tatsächliche Aussprache variiert regional extrem, sodass der Laut irgendwo zwischen [ʃ͡x], [fˠʷ], [ɕˠ], [ʂʷ] und [χ] einzuordnen ist.
 
*'''Der stimmlose velo-palatale Frikativ [ɧ]'''<br/>Im Schwedischen wird ein Laut gesprochen, bei dem sich selbst einheimische Phonetiker nicht sicher sind, wie er genau realisiert wird bzw. ob es ihn wirklich gibt. Ein Bedeutungsunterschied existiert auf jeden Fall, aber die tatsächliche Aussprache variiert regional extrem, sodass der Laut irgendwo zwischen [ʃ͡x], [fˠʷ], [ɕˠ], [ʂʷ] und [χ] einzuordnen ist.
 
*'''Der stimmlose retroflexe laterale Frikativ [ɬ̢] oder [ɬ˞]'''<br/>Dieser Laut kommt in der in Südindien gesprochenen drawidischen Sprache Toda vor.
 
*'''Der stimmlose retroflexe laterale Frikativ [ɬ̢] oder [ɬ˞]'''<br/>Dieser Laut kommt in der in Südindien gesprochenen drawidischen Sprache Toda vor.
*'''Der (nicht-affrizierte) retroflexe Ejektiv [ʈ’]'''<br/>Obwohl der Laut sehr markant klingt und sehr einfach zu sprechen ist (wenn man einmal weiß, wie Ejektive funktionieren), kommt er nur in den beiden athabaskischen Sprachen Gwich’in (Kanada/Alaska) und Tolowa (Nordkalifornien) vor. Wahrscheinlich ist er deshalb so selten, weil Sprachen mit retroflexen Konsonanten und Sprachen mit Ejektiven zufälligerweise meistens nicht in der gleichen Weltgegend zu Hause sind.
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*'''Der (nicht-affrizierte) retroflexe Ejektiv [ʈ’]'''<br/>Obwohl der Laut sehr markant klingt (ein bisschen wie das Öffnen einer Bierflasche) und sehr einfach zu sprechen ist (wenn man einmal weiß, wie Ejektive funktionieren), kommt er nur in den beiden athabaskischen Sprachen Gwich’in (Kanada/Alaska) und Tolowa (Nordkalifornien) vor. Wahrscheinlich ist er deshalb so selten, weil Sprachen mit retroflexen Konsonanten und Sprachen mit Ejektiven zufälligerweise meistens nicht in der gleichen Weltgegend zu Hause sind.
 
*'''Der apikal-alveolare uvulare Approximant'''<br/>In einigen amerikanischen Varianten des Englischen kommt das sogenannte "bunched r" vor. Es ist ein Laut, bei dem das IPA an seine Grenzen stößt: Die Zungenspitze neigt sich zum Zahndamm, während die Zungenwurzel zum Zäpfchen rutscht. Außer im Amerikanisch-Englisch ist der Laut auch in den kaukasischen Sprachen Tsachurisch und Udisch als Vokal zu finden.
 
*'''Der apikal-alveolare uvulare Approximant'''<br/>In einigen amerikanischen Varianten des Englischen kommt das sogenannte "bunched r" vor. Es ist ein Laut, bei dem das IPA an seine Grenzen stößt: Die Zungenspitze neigt sich zum Zahndamm, während die Zungenwurzel zum Zäpfchen rutscht. Außer im Amerikanisch-Englisch ist der Laut auch in den kaukasischen Sprachen Tsachurisch und Udisch als Vokal zu finden.
*'''Der laminale Vibrant [r̝]/[r̝̊]'''<br/> Aus einem gleichzeitig mit einem [ʒ] (stimmhaft) oder [ʃ] (stimmlos) gesprochenem [r] besteht das tschechische <ř>.
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*'''Der laminale Vibrant [r̝]/[r̝̊]'''<br/> Aus einem gleichzeitig mit einem [ʒ] (stimmhaft) oder [ʃ] (stimmlos) gesprochenen [r] besteht das tschechische <ř>.
 
*'''Der labiodentale und der bilabiale Flap [v̆]'''<br/>Diese beiden Laute sind in den meisten Fällen austauschbar und kommen hauptsächlich in Sprachen der Zentralafrikanischen Republik vor. Daneben könnte der labiodentale Flap auch in der austronesischen Sprache Sika vorkommen, was aber noch ungeklärt ist.
 
*'''Der labiodentale und der bilabiale Flap [v̆]'''<br/>Diese beiden Laute sind in den meisten Fällen austauschbar und kommen hauptsächlich in Sprachen der Zentralafrikanischen Republik vor. Daneben könnte der labiodentale Flap auch in der austronesischen Sprache Sika vorkommen, was aber noch ungeklärt ist.

Version vom 22. Juli 2013, 10:27 Uhr

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