Das menschliche Lautinventar

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K (Töne und Akzente)
K (Töne und Akzente)
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=== Töne und Akzente ===
 
=== Töne und Akzente ===
In allen Sprachen wird die Tonheit genutzt, um bestimmte Strukturen der Sprache kenntlich zu machen und zu betonen. Alle Phänomene, die Quantität, Tonheit oder Druckakzent nutzen, ohne dass die einzelnen Laute davon direkt betroffen sind, werden als Prosodie zusammengefasst. Gemeint ist damit, dass es für die Funktion der Laute keine Bedeutung hat, wie Quantität, Tonheit und Druckakzent auf das Wort oder den Satz angewendet werden. Als Beispiel können wir einen deutsche Fragesatz nehmen, wie "Hast du heute schon gegessen?". Hier wird die Tonhöhe am Ende des Satzes angehoben, aber die Laute bleiben die gleichen. Die Veränderung der Tonhöhe hat also keinen Einfluss darauf, welche Laute wir hören. In einigen Sprachen gibt es aber durchaus Tonhöhendifferenzen, die die Laute selbst betreffen. Es macht einen klaren Bedeutungsunterschied, ob der Pekinger "mā" mit einem gleichbleibenden hohen Ton sagt oder "mǎ", bei dem der Ton zuerst fällt um dann wieder zu steigen. Im ersten Fall ist die Mutter gemeint, im zweiten würdest du sie beleidigen, da damit ein Pferd bezeichnet wird. Wobei noch angemerkt werden muss, dass sich Töne immer nur im Silbenkern niederlassen, was für die meisten Sprachen bedeutet, dass es grundsätzlich Vokale sind, die die Töne tragen.
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In allen Sprachen wird die Tonheit genutzt, um bestimmte Strukturen der Sprache kenntlich zu machen und zu betonen. Alle Phänomene, die Quantität, Tonheit oder Druckakzent nutzen, ohne dass die einzelnen Laute davon direkt betroffen sind, werden als Prosodie zusammengefasst. Gemeint ist damit, dass es für die Funktion der Laute keine Bedeutung hat, wie Quantität, Tonheit und Druckakzent auf das Wort oder den Satz angewendet werden. Als Beispiel können wir einen deutsche Fragesatz nehmen, wie "Hast du heute schon gegessen?". Hier wird die Tonhöhe am Ende des Satzes angehoben, aber die Laute bleiben die gleichen. Die Veränderung der Tonhöhe hat also keinen Einfluss darauf, welche Laute wir hören. In einigen Sprachen gibt es aber durchaus Tonhöhendifferenzen, die die Laute selbst betreffen. Es macht einen klaren Bedeutungsunterschied, ob der Pekinger "mā" mit einem gleichbleibenden hohen Ton sagt oder "mǎ", bei dem der Ton zuerst fällt um dann wieder zu steigen. Im ersten Fall ist die Mutter gemeint, im zweiten würdest du sie beleidigen, da damit ein Pferd bezeichnet wird. Wobei noch angemerkt werden muss, dass sich Töne immer nur im Silbenkern niederlassen*, was für die meisten Sprachen bedeutet, dass es grundsätzlich Vokale sind, die die Töne tragen.
  
 
Die Unterschiede zwischen den sogenannten Tonsprachen können dabei von einem einfachen System mit zwei Oppositionen, z. B. hoch vs. tief bis hin zu einem System mit fünf oder mehr unterscheidbaren Tonstufen gehen, wobei die Töne nicht nur auf einer Tonstufe liegen müssen, sondern auch noch Veränderungen darstellen können, wie z. B. fallender Ton oder steigender Ton. Bei einfachen Systemen, die nur zwischen zwei Oppositionen unterscheiden, werden diese Oppositionen als Akzent bezeichnet. Dabei ist meistens ein Grundton vorhanden, der von den Sprechern als ohne Akzent wahrgenommen wird, und ein Akzentton, also das, was gefühlt seltener auftaucht. Wobei "gefühlt" nicht bedeutet, dass dies auch tatsächlich der Fall ist. Jedenfalls ist es schwer zu sagen, ob eine Sprache nur über Tonakzente verfügt, oder ein ausgebildetes Tonsystem hat. Die Definitionen sind unterschiedlich, sodass beispielsweise das Mittelfränkisch je nach Definition eine Tonakzentsprache ist, oder doch schon eine Tonsprache. Sogar beides ist möglich, wenn man die Tonakzentsprachen als eine Gruppe innerhalb der Tonsprachen betrachtet. Was das Mittelfränkisch so besonders macht? Es gibt zwei Töne, die allerdings nur bei langen Vokalen unterschieden werden und sich dort aber ganz Unterschiedlich verhalten, je nachdem, was um sie herum ist, also z. B. welche Laute und Wörter den Vokal umgeben und in was für einem Satz sie zu finden sind. Wir haben hier also eine Opposition zwischen zwei Akzenten bei langen Vokalen und nicht-akzentuierten kurzen Vokalen und die zwei Akzente benehmen sich auch noch in jeder Situation anders.
 
Die Unterschiede zwischen den sogenannten Tonsprachen können dabei von einem einfachen System mit zwei Oppositionen, z. B. hoch vs. tief bis hin zu einem System mit fünf oder mehr unterscheidbaren Tonstufen gehen, wobei die Töne nicht nur auf einer Tonstufe liegen müssen, sondern auch noch Veränderungen darstellen können, wie z. B. fallender Ton oder steigender Ton. Bei einfachen Systemen, die nur zwischen zwei Oppositionen unterscheiden, werden diese Oppositionen als Akzent bezeichnet. Dabei ist meistens ein Grundton vorhanden, der von den Sprechern als ohne Akzent wahrgenommen wird, und ein Akzentton, also das, was gefühlt seltener auftaucht. Wobei "gefühlt" nicht bedeutet, dass dies auch tatsächlich der Fall ist. Jedenfalls ist es schwer zu sagen, ob eine Sprache nur über Tonakzente verfügt, oder ein ausgebildetes Tonsystem hat. Die Definitionen sind unterschiedlich, sodass beispielsweise das Mittelfränkisch je nach Definition eine Tonakzentsprache ist, oder doch schon eine Tonsprache. Sogar beides ist möglich, wenn man die Tonakzentsprachen als eine Gruppe innerhalb der Tonsprachen betrachtet. Was das Mittelfränkisch so besonders macht? Es gibt zwei Töne, die allerdings nur bei langen Vokalen unterschieden werden und sich dort aber ganz Unterschiedlich verhalten, je nachdem, was um sie herum ist, also z. B. welche Laute und Wörter den Vokal umgeben und in was für einem Satz sie zu finden sind. Wir haben hier also eine Opposition zwischen zwei Akzenten bei langen Vokalen und nicht-akzentuierten kurzen Vokalen und die zwei Akzente benehmen sich auch noch in jeder Situation anders.
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Das IPA orientiert sich dabei nach dem afrikanischen System und kennt auch noch Zeichen für hohe [e ᷄] und tiefe steigende [e ᷅], sowie für hohe [e ᷆] und tiefe fallende [e ᷇] Töne. Daran lässt sich schon erkennen, wie komplex tonale Systeme sein können. Aber um das noch komplizierter zu machen, mischen einige Sprachen auch noch die Knarrstimme hinein oder lassen einen Ton mit einem Verschluss der Stimmlippen enden. Auch schonmal beides zusammen, wie in der vietnamesischen Sprache. Darüber hinaus kennen einige Sprachen auch einen neutralen Ton, eine Einheit ohne Ton. Natürlich muss ein Laut auch einen Ton haben, sonst könnten wir ihn ja nicht hören, nur holt sich der Laut mit dem neutralen Ton seinen Ton aus der Umgebung. Er entscheidet sich, ob er sich anziehen soll, wie sein Vordermann oder sein Nachfolger.
 
Das IPA orientiert sich dabei nach dem afrikanischen System und kennt auch noch Zeichen für hohe [e ᷄] und tiefe steigende [e ᷅], sowie für hohe [e ᷆] und tiefe fallende [e ᷇] Töne. Daran lässt sich schon erkennen, wie komplex tonale Systeme sein können. Aber um das noch komplizierter zu machen, mischen einige Sprachen auch noch die Knarrstimme hinein oder lassen einen Ton mit einem Verschluss der Stimmlippen enden. Auch schonmal beides zusammen, wie in der vietnamesischen Sprache. Darüber hinaus kennen einige Sprachen auch einen neutralen Ton, eine Einheit ohne Ton. Natürlich muss ein Laut auch einen Ton haben, sonst könnten wir ihn ja nicht hören, nur holt sich der Laut mit dem neutralen Ton seinen Ton aus der Umgebung. Er entscheidet sich, ob er sich anziehen soll, wie sein Vordermann oder sein Nachfolger.
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<small>* Das ist eigentlich nicht ganz richtig. Vielmehr gibt es eine sprachspezifische tontragende Einheit, die meistens die Silbe betrifft, aber auch etwas anders funktionieren kann. Wie genau, dazu kommen wir im Kapitel über Silbenstrukturen zurück, da man dafür wissen muss, wie die Silbe funktioniert. </small>
  
 
== Wie bilde ich Laute? ==
 
== Wie bilde ich Laute? ==

Version vom 13. November 2012, 14:15 Uhr

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