Was ist ein Wort?

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Auf den ersten Blick, scheint die Frage einfach zu beantworten zu sein. Immerhin gruppieren wir ja beim Schreiben die Zeichen zu Wörtern. Aber schauen wir uns einmal ein Beispiel an:
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Auf den ersten Blick scheint die Frage einfach zu beantworten zu sein. Immerhin gruppieren wir ja beim Schreiben die Zeichen zu Wörtern. Aber schauen wir uns einmal ein Beispiel an:
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:''Er gibt an, radfahren zu können.''
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Wie viele Wörter sind das? Das Schreibprogramm wird uns sagen, dass es sechs Wörter seien. Aber ''angeben'' wird im Wörterbuch als nur ein Wort geführt. Und ist ''radfahren'' wirklich ein einzelnes Wort, oder sind es tatsächlich zwei Wörter, nämlich ''Rad'' und ''fahren''? Diese Fragen lassen sich nicht so einfach beantworten, und je nachdem, was man näher betrachtet, wird etwas als Wort gesehen oder auch nicht. In der Sprachwissenschaft spricht man daher je nach Zusammenhang vom phonologischen, morphemischen, lexikalischen, syntaktischen oder graphemischen Wort. Viele Bezeichnungen mit noch mehr Definitionen. Hinter dem ''Wort'' verbirgt sich also nicht nur eine, sondern gleich ein ganzes Bündel an Bedeutungen.
  
Stichwörter: Lexem, Type/Token, Wortform, Graphem, phonologisches/graphemisches/morphemisches/syntaktisches/lexikalisches Wort, Pause?, Wortart, Wortschatz, Wortbildung
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Als Sprachenbastler müssen wir uns spätestens dann die Frage stellen, was ein Wort ist, wenn wir ein Wörterbuch aufbauen wollen, und in diesem Tutorial werden wir immer wieder auf das Wort als sprachliche Einheit zurückkommen. Daher sollten wir auch wissen, was dahinter stehen kann, und aus diesem Grunde werden hier die ganzen Wortwörter aufgelistet:
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;phonologisches Wort oder Phonemkette
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:Wenn du den Teil zur Lautlehre gelesen hast oder bereits Vorkenntnisse in dieser Richtung besitzt, wirst du dir wahrscheinlich schon denken können, was ein phonologisches Wort ist. Es handelt sich dabei um eine lautliche Einheit, ein Konstrukt aus einer Reihe von Lauten bzw. Silben, das zum Beispiel als Grundlage für die Vokalharmonie oder die Wortbetonung eine Rolle spielt. - Wie in der polnischen Sprache, in der immer die vorletzte Silbe betont wird: prze-''pra''-szam (= Entschuldigung).
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;lexikalisches Wort oder Lexem und
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;morphemisches Wort oder Wortform
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:Die zwei in diesem Kapitel entscheidenden Wortbegriffe sind das Lexem und die Wortform. Das Lexem ist ein Wort mit seinen wortspezifischen Regeln, das in unserem inneren Wörterbuch (Lexikon) steckt. Es ist in dieser Form völlig theoretisch und die Modelle, um ein Lexem zu Papier zu bringen, sind nicht unbedingt leicht verständlich. Was wir stattdessen gebrauchen, sind die Wortformen, also jene fertigen Gebilde, die unser Gehirn aus den Informationen des Lexikons und entsprechenden Regeln gebaut hat. In einem geschriebenen Wörterbuch findet man auch nur fertige Wortformen, keine echten Lexeme.
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:Man kann sich das so vorstellen, wie das Wort ''Pferd''. Es bezeichnet zunächst ein theoretisches Tier, eine Idee im Sinne Platons ([http://de.wikipedia.org/wiki/Ideenlehre Ideenlehre]). Das einzelne Pferd, sagen wir mal es heißt Nero, ist eine konkrete Form der Idee ''Pferd''. Genauso müssen wir uns das auch mit den Wörtern vorstellen: ''sagen'', ''sagt'' und ''gesagt'' sind drei Wortformen eines Lexems, wir können aber nicht sagen, was denn nun genau das Lexem ist, denn das ist eben nur theoretisch vorhanden.
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;syntaktisches Wort
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:Als syntaktisches Wort wird ein Wort unter dem Gesichtspunkt seines Verhaltens im Satz bezeichnet, also im Zusammenspiel mit anderen Wörtern. Eine wichtige syntaktische Eigenschaft von Wörtern ist z.B., an welcher Stelle im Satz sie auftauchen können und an welcher Stelle nicht. Als eigenständiges syntaktisches Wort gilt ein Wort immer dann, wenn es im Satz verschoben oder ersetzt werden kann, ohne dass der Satz dadurch ungültig wird. Wenn wir den Satz "Hans liest." haben, können wir problemlos sowohl 'Hans' (z.B. durch 'Maria') als auch 'liest' (z.B. durch 'schwimmt') durch andere Wörter ersetzen. Der neue Satz "Maria schwimmt." hat zwar eine komplett andere Bedeutung, aber der Satz ist nach wie vor gültig.
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;graphemisches Wort oder Graphem(kette)
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:Das ist wahrscheinlich die einfachste Form von Wort, nämlich das, was das Schreibprogramm auch zählt. Die kurze Bezeichnung Graphem ist leider nicht ganz eindeutig, da sie zum einen die tatsächlich einzelnen Zeichen im Sinne unseres Alphabets bezeichnen kann, zum anderen aber auch die gruppierten Zeichenketten, also die graphemischen Wörter. Da es in diesem Tutorial aber nicht um Schriften geht, können wir dieses Wortwort getrost beiseite schieben. Wir sollten uns nur darüber bewusst sein, dass unter einem Wort auch das graphemische Wort verstanden werden kann und dass dieses für die Sprache an sich (also die gesprochene Sprache) erst einmal keine Rolle spielt.
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== Was ist eine Wortart? ==
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In der Schule wurde den meisten von uns beigebracht, dass es zehn Wortarten gibt. Auf die klassische lateinische Grammatik kann man das auch gut anwenden, aber schon in der deutschen Sprache stoßen wir dabei auf Probleme: Mit einigen wenigen Ausnahmen können alle Adjektive auch als Adverbien fungieren und umgekehrt. Anders als beispielsweise im Englischen machen wir da keinen Unterschied. Faktisch gibt es im Deutschen also eine Wortart, die die Funktionen von Adjektiven und Adverbien zusammenfasst.
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Wir sollten uns also vor Augen führen, dass Wortarten nicht universal gültig sind und grundsätzlich abklären, was wir in unserer eigenen Sprache haben wollen. In den Wortarten stecken eigentlich drei Unterteilungen der Wörter:
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;Die Bedeutung
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:Aus dieser Sicht können wir die Wörter in zwei große Kategorien einteilen: Wörter, die Weltinhalt haben (lexikalische Bedeutung; z.B. 'Haus') und Wörter, die grammatische Bedeutung (z.B. 'der') haben. Daneben kann ein Wort auch sowohl Weltinhalt als auch grammatische Bedeutung enthalten (z.B. 'abgehauen'). Als Weltinhalt bezeichne ich in diesem Zusammenhang alles, was in der Welt ist (Weltwissen) und alles, was die Welt formt oder formen soll.
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;Die Form
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:Es gibt Wörter, die dekliniert werden, die kompariert werden und die konjugiert werden. Je nachdem, wie ein Wort gebeugt wird, kann es unterschiedlichen Kategorien angehören.
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:Wir sollten uns jedoch nicht dazu verleiten lassen, eine einzelne Sprache als Grundlage für unsere Wortarteneinteilung zu machen. Zu sagen, Nomen und Adjektive können dekliniert werden und Verben konjugiert, trifft zwar auf die indogermanischen Sprachen zu, ist aber nicht allgemeingültig. Es gibt Sprachen, bei denen Nomen nicht dekliniert werden (das trifft z.B. auf viele asiatische Sprachen zu) und Sprachen, in denen Konjugationsinformationen immer an das erste Wort im Satz gehängt werden, egal welche Wortart dieses Wort hat.
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;Der Gebrauch im Satz
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:Oft nicht wirklich von der Form zu trennen ist der Gebrauch im Satz. Adjektive schmiegen sich gerne an das Substantiv an, das sie näher bezeichnen, und Verben stehen in vielen Sprachen immer an der gleichen Stelle im Satz. Diese Einteilung sollten wir an dieser Stelle aber fallen lassen, da sie mehr verwirrt als dass sie uns nützen würde, und da die Satzstellung im nächsten Kapitel näher beleuchtet wird.
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== Einteilung der Wortarten ==
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Wörter stehen nicht isoliert im Satz, sondern agieren miteinander. Ein Grund, warum Sprachen über Flexion verfügen, besteht darin, anzuzeigen, welche Wörter zusammengehören. Das Adjektiv richtet sich beispielsweise in seiner Form nach dem Nomen, auf das es sich bezieht, so dass wir wissen, dass es eine Eigenschaft genau dieses und nicht eines anderen Nomens beschreibt. In solchen Fällen gibt es immer ein Wort, das Informationen austeilt, und ein Wort, das die Information einsteckt. So gibt das Nomen Kasus, Numerus und Genus an das Adjektiv weiter, welches sich danach ausrichtet und ebenfalls flektiert wird. Das Nomen seinerseits kann den Kasus von einer Präposition oder von seiner Bedeutung im Satz erhalten. Damit hätten wir für die deutsche Sprache drei Wortarten ausgemacht: Die Präposition als Geber des Kasus, das Nomen als Empfänger des Kasus und Geber von Kasus, Numerus und Genus, und das Adjektiv als Empfänger der vom Nomen gegebenen Informationen. Im Thailändischen hätten wir da aber schon ein Problem, da es dort keine Flexion der Wörter gibt und Kasus, Numerus und Genus somit nicht einfach weitergereicht werden können. Deshalb stellt sich die Frage: Was steckt hinter der Weitergabe der Informationen? Wofür ist das gut? Die Wörter drücken damit die Zugehörigkeit zu einem anderen Wort aus, sie sind hierarchisch sortiert.
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Die Informationen, die in den einzelnen Wörtern stecken, lassen sich, wie oben erwähnt, in Weltinhalt bzw. lexikalische Bedeutung einerseits und grammatische Information andererseits unterteilen, wobei sich die grammatischen Informationen natürlich auch auf den Weltinhalt auswirken. Die grammatischen Informationen können des weiteren in Satzinformationen und wortspezifische Informationen unterteilt werden.
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Der Satz enthält
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*''Modus'' - Die Stellung des Sprechers zur Aussage, z.B. ob es sich um eine Tatsachenbehauptung, eine Möglichkeit oder einen Befehl handelt.
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*''Tempus'' - Die Zeit, in der der Satz im Verhältnis zum Sprechzeitpunkt steht; im einfachsten Fall sind dies Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
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*''Diathese'' - Die Handlungsrichtung, in der die Aussage stattfindet, also ob etwas agiert, oder ob etwas Ziel einer Aktion ist. Im einfachsten Fall sind das Aktiv und Passiv.
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*''Aspekt'' - Der zeitliche Verlauf der beschriebenen Handlung, z.B. ob sie abgeschlossen ist oder nicht.
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*''Aktionsart'' - Die Art und Weise, in der die Aussage stattfindet, z.B. ob sie zeitlich den Beginn oder das Ende einer Handlung darstellt oder ob sie aus sich wiederholenden Elementen besteht.
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*''Evidentialität'' - Die Herkunft des Wissens; im einfachsten Fall, ob man es direkt erlebt (gesehen, gefühlt, etc.) oder indirekt aus anderer Quelle erhalten hat.
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In den meisten Sprachen gibt es eine Wortart, das '''Verb''', das die Satzinformationen enthält. Es gibt allerdings auch andere Systeme, bei denen die Informationen beispielsweise an das erste Wort des Satzes gehängt werden (wie oben bereits erwähnt), oder es werden eigene Hilfsverben generiert, die die Informationen enthalten. (Im Deutschen wird z.B. das Tempus der Zukunft über das Hilfsverb 'werden' ausgedrückt.)
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Wörter können darüber hinaus noch andere, für sie spezifische Informationen enthalten:
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*''Kasus'' - Die grammatische Realisierung der semantischen Rollen (ein Thema, das später in diesem Tutorial behandelt wird). Es ist eine spezifische Stellung, die das Wort im Satz einnimmt. Jedes Wort, das eine semantische Rolle einnimmt, hat auch einen Kasus, unabhängig davon, wie der Kasus realisiert wird. Diese Wörter sind, wer hätte das gedacht, die '''Substantive'''. Der Kasus wird in der Regel dementsprechend durch die Rolle im Satz vergeben, die das Substantiv hat. Aber es gibt auch den Fall, dass das Substantiv außerhalb des grundlegenden Rollenschemas liegt. In diesem Fall übernimmt eine andere Wortart, die '''Adposition''', die Vergabe des Kasus.
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*''Numerus'' - Die Anzahl, in der der Weltinhalt eines Wortes vorkommt. Grammatikalisch realisiert wird oft der Unterschied zwischen eins (Singular) und mehr als eins (Plural). Diese Information ist eine Eigenschaft des Substantivs und wird von diesem zum Beispiel in Akkusativsystemen oft vom im Nominativ stehenden Wort an das Verb weitergegeben. Ebenso besteht oft eine Weitergabe des Numerus an das zugehörige Attribut.
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*''Genus/Klasse'' - Eine Unterteilung der Wörter, die ihren Hintergrund in Bedeutung oder Morphologie hat. In vielen Fällen hat sich eine ursprünglich bedeutungsrelevante Einteilung sprachgeschichtlich vom Ursprung entfernt. Auch diese Information ist meistens, wie der Numerus, eine Eigenschaft des Substantivs. Entsprechende Klassen bei anderen Wortarten sind zwar denkbar, jedoch soweit bekannt, nicht in irdischen Sprachen zu finden.
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*''Komparation'' - Eine Verhältnisangabe, die eine Steigerung, Gleichheit oder Verminderung anzeigt. Vor allem bei '''Attributen''', aber manchmal auch bei Substantiven und Verben findet man diese Information. Attribute beschreiben einen Satz, eine Phrase oder ein anderes Wort näher, weshalb sich diese Information oft dort niederschlägt, vor allem, wenn verglichen wird. Das Attribut ist somit aber nur Empfänger der Information, die meistens aus dem Zusammenhang oder von einer '''Konjunktion''' bestimmt wird.
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*''Person'' - Die Angabe, darüber, ob Sprecher, Hörer oder ein Dritter Inhalt des Wortes ist. Die meisten Sprachen kennen eigene Wörter für das Selbst des Sprechers und für das Selbst des Hörers. Streng genommen ist es eine Eigenschaft des Substantivs, auch wenn durch die Eigenheiten dieser oft gebrauchten spezifischen Bedeutungen eine eigene Wortart, das Pronomen (insbesondere das Personalpronomen) angenommen wird. In sehr vielen Sprachen wird die Person des Subjekts, manchmal zusätzlich auch die des Objekts, an das Verb weitergegeben.
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*''Definitheit'' - Die Angabe, ob das Bezeichnete bereits als bekannt vorausgesetzt wird. Diese Eigenschaft des Substantivs wird in der Regel über Attribute zum Ausdruck gebracht, die speziell darauf ausgelegt sind, die '''Determinative'''. Diese Wortart fasst Artikel und Determinativpronomina zusammen und hat große Ähnlichkeiten mit den Attributen des Substantivs.
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*''Spezifizität/Generizität'' - Die Angabe, ob ein bestimmtes Element einer Kategorie bezeichnet wird, oder die Kategorie im Allgemeinen. Die Generizität ist auch wieder meist eine Eigenschaft des Substantivs und wird in den verschiedenen Sprachen unterschiedlich ausgedrückt. Eine eigene Wortart ist dabei in den irdischen Sprachen, soweit bekannt, nicht zu finden.
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Neben den Wortarten, die sich auf die Handhabung dieser Informationen zurückführen lassen, gibt es noch die '''Interjektionen''', die nicht wirklich Teil des Satzes sind, und die '''Klassifikatoren''', die Substantive zählbar machen.
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Es gibt vier Möglichkeiten, wie die Informationen im Satz untergebracht werden können:
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# Die Wörter können gebeugt werden. Die Informationen werden dann über Regeln den Wörtern hinzugefügt, z.B. indem Endungen angehängt werden oder indem der Wortstamm verändert wird.
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# Es können eigene Wörter gebildet werden, die die Informationen tragen.
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# Durch die Stellung der Wörter im Satz oder durch die Reihenfolge der Wörter untereinander können die Informationen wiedergegeben werden.
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# Die Informationen können lexikalisiert sein. Das heißt, es werden Wörter oder Phrasen gewählt oder hinzugefügt, die diese Informationen bereits enthalten.
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Aber nicht jede Sprache drückt auch alle genannten Informationen aus. So kommt die Evidentialität beispielsweise nur in einem Viertel aller Sprachen der Erde vor.

Aktuelle Version vom 15. Dezember 2015, 17:30 Uhr

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